Immer häufiger preisen Hersteller sogenannte Nutrikosmetika an - "für wahre Schönheit von innen". Doch was ist dran an den Pillen, Dragees und Nahrungs(ergänzungs)mitteln, die vor allem durch die enthaltene Antioxidantien den Alterungsprozess hinauszögern sollen?
YaaCool fragte Prof. Dr. Dr. Jürgen Lademann, Leiter des Bereichs für experimentelle und angewandte Physiologie der Haut an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Berliner Charité, was die angeblichen Schönmacher wirklich können.
YaaCool: Professor Lademann, wie kommt es, dass immer häufiger zu den sogenannten Nutrikosmetika gegriffen wird?
Prof. Jürgen Lademann: Das hängt vor allem damit zusammen, dass es heutzutage dieses vielfältige Angebot gibt. Früher war es gar nicht möglich, künstliche Vitamine zu schlucken. Jeder Mensch musste die Stoffe, die er brauchte, auf natürlichem Wege zu sich nehmen. Vor allem in Zeiten von Krankheit oder in der Genesungsphase war frisches Obst und Gemüse unabdingbar. Als die Wissenschaft soweit war, Stoffe aus der Natur zu extrahieren oder künstlich zu erzeugen, diente das anfangs vor allem medizinischen Zwecken. Durch die zusätzliche Verabreichung der Stoffe sollte der Patient dabei unterstützt werden, wieder schneller gesund zu werden. Heute nutzt eben auch die kosmetische Schönheitsindustrie diese Entwicklung verstärkt und viele Menschen hoffen darauf, dass die Mittel halten, was sie versprechen. Vor allem die Antioxidantien kommen verstärkt zum Einsatz, weil sie wissenschaftlich erwiesen dabei helfen, die Haut jung zu halten.
Was genau sind Antioxidantien und wie helfen sie dem menschlichen Organismus?
Prof. Jürgen Lademann: Antioxidantien - dazu gehören unter anderem auch Beta-Carotin und die Vitamine C und E - sind Stoffe, die die
freien RadikaleFreie Radikale sind Teile von Molekülen, die unter anderem durch UV-Strahlung und Tabakrauch entstehen.
mehr im menschlichen Organismus bekämpfen können. Wir nehmen Antioxidantien in der Regel ausreichend über die Nahrung auf - eine normal gesunde Ernährung vorausgesetzt. Lieferanten sind unter anderem Bananen, Äpfel, Tomaten - aber auch Kakao, Kaffee oder Rotwein. Die natürlich aufgenommenen Antioxidantien bilden im Körper eine Schutzkette, so können sie effektiv gegen freie Radikale vorgehen. Die entstehen wiederum durch bestimmte Umwelteinflüsse, wie die
UV-StrahlungUV-Licht (ultraviolettes Licht) oder UV-Strahlung (Ultraviolettstrahlung) ist eine unsichtbare elektromagnetische Strahlung, die entweder durch die Sonne oder künstlich mit Hilfe spezieller UV-Lampen (zum Beispiel im Solarium) erzeugt wird.
mehr. Durch intensive Sonnenstrahlen werden die freien Radikale in der Haut gebildet. Wenn Sie nicht neutralisiert werden, greifen sie die Zellen an und die Haut erschlafft. In einer Studie konnten wir belegen, dass Antioxidantien tatsächlich eine Auswirkung auf die Beschaffenheit der Haut haben. Wir testeten Menschen einer Altersgruppe, die ihren Lebensstil über einen langen Zeitraum nicht verändert haben. Mit dem Ergebnis, dass Menschen, die jünger aussahen, tatsächlich einen höheren Antioxidantien-Wert aufwiesen, als diejenigen, die optisch ihrem Alter entsprachen.
Bedeutet das, dass man so viel wie möglich von den Antioxidantien zu sich nehmen sollte?
Prof. Jürgen Lademann: Nein, im Gegenteil - dazu möchte ich gerne einen kleinen geschichtlichen Exkurs machen. Vor einigen Jahren wurde in den USA durch zwei groß angelegte Studien belegt, dass eine hohe Dosierung von Beta-Carotin auch schädlich sein kann. Brustkrebs- und Prostata-Krebs-Patienten wurden zum Teil hohe Dosen Beta-Carotin verabreicht - einige der Erkrankten erhielten jedoch lediglich Placebos. Das erschreckende Ergebnis war, dass die Patienten, die die echten Antioxidantien zu sich nahmen, früher starben als die anderen. Die Studien wurden daraufhin sofort abgebrochen.
Man geht inzwischen davon aus, dass der Körper eine natürliche Grenze entwickelt hat, um nicht zu viel von den Stoffen zu produzieren. Nehmen wir zum Beispiel an, Sie wollten 20 Kilogramm Tomaten essen: Das würde dazu führen, dass dem Körper eine extrem hohe Dosis Antioxidantien zugeführt würde - doch kein Mensch vermag es, diese Menge Tomaten zu essen. Außerdem kann der menschliche Körper Antioxidantien nicht in unbegrenzter Menge anreichern. Am Beispiel Rotwein kann man das sehr gut deutlich machen: Rotwein ist ein guter Lieferant für Antioxidantien. Wer aber mehr als ein Glas täglich davon trinkt, nimmt nicht automatisch mehr Antioxidantien auf - im Gegenteil, der Körper kann nur eine bestimmte Menge speichern und dann kommt der Alkohol ins Spiel, der das antioxidative Potential reduziert.
Heißt das im Umkehrschluss, dass Antioxidantien, die künstlich zugeführt werden, schädlich sind?
Prof. Jürgen Lademann: Nein, es kommt wie gesagt immer nur auf das Maß an. Man muss auch ganz klar unterscheiden zwischen den Stoffen, die in der Medizin zum Einsatz kommen und zwischen denen, die in Kosmetika enthalten sind. Wenn Antioxidantien in dem Maße dosiert sind, wie sie auch der Körper produzieren kann, dann sind sie nicht schädlich, sondern können auch ihre positive Wirkung entfalten. Bei den uns bekannten Produkten ist das durchgängig der Fall. Wer sich jedoch ausgewogen ernährt und auf eine gesunde Ernährung achtet, der braucht sich diese Stoffe nicht künstlich zuzuführen. Deshalb empfehle ich immer, lieber zum Obst und Gemüse zu greifen und auf den übermäßigen Genuss von Nikotin oder Alkohol zu verzichten. Wir konnten durch eine groß angelegte Studie an der Berliner Charité belegen, dass sich ein gesunder Lebenswandel positiv auf den Antioxidantien-Spiegel auswirkt.
Was war das für eine Studie?
Prof. Jürgen Lademann: Wir haben bei rund zwanzig Mitarbeitern über ein Jahr lang täglich die Haut untersucht. Dafür nutzten wir die sogenannte Raman-Spektroskopie. Diese Methode ist einzigartig und in der Lage, das Antioxidantien-Potential direkt über die Haut zu bestimmen - nicht invasiv. Früher war das nur möglich, indem man operativ Gewebeproben entnahm und diese dann untersuchte. Wir konnten somit erstmalig in-vivo (am lebenden Menschen - Anmerkung der Redaktion) prüfen, wie sich bestimmte Faktoren wie Nahrung, Stress, Rauchen oder geänderte Schlafgewohnheiten auf den Antioxidantien-Spiegel auswirkten. Die Methode ist sehr einfach, schmerzfrei und unschädlich. Mittels einer Apparatur, die einer Taschenlampe gleicht, wird die Hautoberfläche per Laser abgetastet und die Antioxidantien-Werte eins zu eins übermittelt. Schnell war klar, dass jeder Mensch sein eigenes Antioxidantien-Potential hat - vergleichbar mit einem Fingerabdruck. Das verändert sich aber durch Nahrung, Stress und so weiter umgehend. Positive Ausschläge konnte man immer dann feststellen, wenn der Proband am Vortag etwas besonderes gegessen hatte - zum Beispiel einen tollen Salat bei seinem Lieblings-Italiener. Aber auch negative Schwankungen waren umgehend messbar. Nach einer Sommernachtsparty sank der Antioxidantien-Spiegel erheblich: Gegrillte Würstchen, viel Alkohol und wenig Schlaf waren dafür die Ursachen.
Dann ist der Antioxidantien-Spiegel also außer von der Nahrungsaufnahme noch von anderen Faktoren abhängig?
Prof. Jürgen Lademann:Ja, absolut. Stress kann sich genauso negativ auswirken wie zu wenig Schlaf. Deshalb sollte man immer darauf achten, gesund zu leben. Das heißt, ausreichend frisches Obst und Gemüse zu essen, genügend zu schlafen und auch Genussmittel mit Bedacht zu konsumieren - Rauchen ist absolut schädlich - auch für die Bildung von Antioxidantien. Teilnehmer unserer Studie, die vorher Raucher waren, sind jetzt allesamt entwöhnt. Der direkte, messbare Einfluss des Nikotins auf ihren Körper hat sie dazu gebracht, auf die Zigaretten zu verzichten. Der Körper ist ein Gesamtsystem, deshalb kann man bestimmte Auswirkungen nie von einzelnen Faktoren abhängig machen.
Und was tun, wenn man auf Grund von äußeren Umständen keinen permanent gesunden Lebenswandel führen kann?
Prof. Jürgen Lademann: Bei unserem Test haben wir festgestellt, dass sich nur maximal zehn Prozent der Probanden optimal ernährt haben. Wer merkt, dass er über einen längeren Zeitraum nicht in der Lage ist, seinem Körper ausreichend Gutes zu tun, der kann für diesen Zeitraum auf ein Zusatzpräparat zurückgreifen. Aber Vorsicht: Wichtig dabei ist, dass man genau auf die Zusammensetzung achtet. So sollte eine breite Menge an Antioxidantien enthalten sein, denn nur das gewährleistet, dass die Stoffe auch richtig im Körper wirken. Wird nur ein Antioxidant zugeführt, dann kann das sogar negative Folgen haben. Denn eines allein kann nicht die klassische Schutzkette bilden und ist somit nicht optimal. Nahrungsergänzungsmittel sind immer Produkte, mit denen verantwortungsvoll umgegangen werden muss. Ich rate, sich vor der Einnahme fachgerecht beraten zu lassen - entweder vom Hausarzt oder vom Apotheker. Aber trotzdem kann keine Pille auf Dauer die gute Wirkung von frischem Obst, Gemüse und einem guten Lebensgefühl ersetzen - wer glaubt, eine Pille macht alles gut, der täuscht sich.
Professor Lademann, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch!