Allergie-Experten aus ganz Europa warnen vor IgG-Antikörpertests, die angeblich die Auslöser von Nahrungsmittelunverträglichkeit ermitteln sollen.
Die Tests sind jedoch medizinisch nicht anerkannt und müssen aus eigener Tasche bezahlt werden. Doch nicht nur das: Sie können auch die Gesundheit gefährden!
Wer unter einer Nahrungsmittelunverträglichkeit leidet, weiß um die Sorgen und Ängste, die den Alltag oft zur Qual werden lassen: Schon ein einfacher Schokoriegel könnte einen lebensbedrohlichen Allergieschock auslösen. Zum Glück sind tatsächliche Nahrungsmittelallergien nicht so weit verbreitet wie oftmals angenommen: Laut dem Ärzteverband Deutscher Allergologen e. V. leiden in Deutschland rund zwei bis drei Prozent der Erwachsenen und vier Prozent der Kinder an einer derartigen Allergie. Um zu ermitteln, ob eine solche vorliegt, greifen viele Menschen zu sogenannten IgG-Tests - frei zugängliche Testverfahren, die teuer sind und nichts bringen - sagen die Experten. Im Gegenteil: Da sie nicht geeignet sind, Nahrungsunverträglichkeiten zu testen, können sie zu gesundheitlichen Schäden führen - Allergologen warnen deshalb davor.
IgG-Tests: Unseriöse Testverfahren
Oftmals ist es schwierig, die Stoffe zu ermitteln, die eine Allergie verursachen. "Die Suche nach den Auslösern einer Nahrungsmittel-Allergie erfordert oftmals richtige Detektivarbeit", weiß Professor Dr. Thomas Fuchs, Präsident des Ärzteverbands Deutscher Allergologen. Er warnt deshalb schon seit langer Zeit eindringlich vor den IgG-Antikörpertests, die im freien Handel erhältlich sind. Diese Tests können laut dem Experten keine Allergieauslöser bestimmen. Sie weisen lediglich IgG-Antikörper nach, die der menschliche Körper automatisch produziert, sobald fremde Proteine über die Nahrung zugeführt werden. Da dies eine völlig natürliche Reaktion des Immunsystems ist, weist der IgG-Test weder auf eine Allergie noch sonst irgendeine Störung hin. Das bescheinigten jetzt auch Allergologen, Umweltmediziner und Immonulogen aus ganz Europa in einer gemeinsamen Erklärung. Im Gegenteil: Sie bewerten den Test sogar als gefährlich, denn die daraus resultierenden Diät-Vorschläge können zu Mangelernährung führen. "Die Behauptung, dass IgG gegen Nahrungsmittel eine Unverträglichkeit oder eine andere Störung anzeigt, ist falsch. Die Testergebnisse dienen häufig als Begründung für ungerechtfertigte, einschneidende Diäten. Sie erhöhen damit den Leidensdruck, schränken die Lebensqualität ein und tragen zur Verunsicherung oder Gefährdung der Betroffenen bei", erklärt Priv.-Doz. Dr. med. habil. Jörg Kleine-Tebbe (Vorstandsmitglied der DGAKI).
IgG-Test verlängert das Leid der Betroffenen
Prof. Fuchs belegt das mit einem Beispiel aus der Praxis. Demnach ließ sich eine Frau, die an Nesselsucht (juckende
HautDie Haut (griech. Derma, lat. Cutis) ist mit einer Gesamtfläche von ca. zwei Quadratmetern das größte menschliche Organ.
mehrausschläge - Anmerkung der Redaktion) litt, auf IgG testen, ohne vorher einen Facharzt aufgesucht zu haben - bezahlen musste sie dies aus eigener Tasche, da die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen. Sie vertraute den Testergebnissen und verzichtete auf 44 verschiedene Nahrungsmittel, die im IgG-Testverfahren positiv bewertet wurden. Nachdem sich ihre Beschwerden nicht besserten, wurde sie in der Universitäts-Hautklinik Göttingen behandelt. Dort stellten die Fachleute eine Blütenpollen-Allergie und eine Kreuzallergie fest. So waren es Nüsse, Steinobst und bestimmte Gewürze, die für das Leid der 44-Jährigen verantwortlich waren und nicht Milch, Joghurt, Eier und diverse andere Produkte, wie der IgG testete. "Eine Allergie oder Unverträglichkeit hervorgerufen durch eines der Nahrungsmittel, die im IgG-Test positiv waren, bestand eindeutig nicht. Die Patientin hätte sich viel Leid und auch Geld erspart, wenn sie früher einen auf Allergien spezialisierten Arzt aufgesucht hätte", beschreibt Prof. Fuchs das Untersuchungsergebnis.
Bei allergischen Reaktionen: Keine IgG-Tests sondern immer zum Facharzt!
"Der Leidensdruck der Patienten ist oft sehr hoch. Das machen sich Firmen zu nutze, die in den letzten Jahren zunehmend Werbung für unseriöse Tests auf IgG-Antikörper zum Nachweis von Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten machen", erklärt Fuchs. Die Erfahrung des Experten hat gezeigt, dass nur speziell kombinierte Verfahren dafür geeignet sind, positive Ergebnisse zu erzielen. "Im Gegensatz zur Untersuchung von spezifischen IgE-Antikörpern lassen sich mit IgG- oder IgG-4-Tests keine Allergieauslöser nachweisen", betont Prof. Fuchs nachhaltig. Wer an seinem Körper allergische Reaktionen beobachtet, solle deshalb unbedingt einen allergologisch ausgebildeten Facharzt aufsuchen, rät der Experte. Denn um die wirkliche Ursache zu klären, sind unterschiedlichste Testverfahren notwendig. Nicht immer sind Allergien die Auslöser für körperliche Reaktionen. Auch die sogenannten Verwertungsstörungen wie Milchzucker- oder Fruktoseintoleranzen oder Gluten und Histamine könnten dafür eine Ursache sein. Der Allergologe warnt deshalb eindringlich davor, Diäten auf Grund von unseriösen Tests durchzuführen. "Liegt tatsächlich eine Allergie vor, gehören die therapeutische Ernährungsumstellung und die Aufklärung des Patienten über Maßnahmen zum Vermeiden einer Mangelernährung in die Hand eines Allergologen und eines allergologischen Ernährungsberaters."