Umberto Eco gehört zu den vielseitigsten Autoren unserer Zeit. Seine Romane "Der Name der Rose" oder "Das Foucaultsche Pendel" erreichten ein Millionenpublikum, er ist ein erfolgreicher Kolumnist und angesehener Wissenschaftler auf dem Gebiet der Zeichenlehre. 2004 veröffentlichte Eco "Die Geschichte der Schönheit". In diesem kulturhistorischen Text ging er der Frage nach, wie sich der Begriff der (menschlichen) Schönheit im Laufe der letzten Jahrtausende gewandelt hat. Nun legt er mit "Die Geschichte der Häßlichkeit" den Nachfolger dieses Buches vor – und weiß wieder zu begeistern.
"Die Geschichte der Häßlichkeit" ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern nach Themen wie etwa "Die häßliche Frau von der Antike bis zum Barock" oder "Die Apokalypse, die Hölle und der Teufel". Was als Erstes ins Auge fällt, sind die vielen faszinierenden Bilder, hauptsächlich aus dem Bereich der Malerei. Auf hunderten farbigen Abbildungen werden uns Hässlichkeiten von der Antike bis zur heutigen Zeit präsentiert. Viele der Gemälde haben nichts von ihrer Effektivität eingebüßt: Die Höllenvisionen der Maler Hieronymus Bosch und Peter Brueghel zum Beispiel können den Betrachter auch im 21. Jahrhundert noch beunruhigen. Beim Streifzug durch die Hässlichkeit in der Malerei begegnen wir nicht nur naheliegenden Kandidaten wie Bosch, Brueghel oder Picasso, sondern auch vielen sonst kaum beachteten Künstlern.
Auch wenn die Malerei den größten Anteil der gezeigten und besprochenen Kunstwerke stellt, finden sich im Buch viele Beispiele aus anderen Gebieten der Kunst. So gibt es etwa eine größere Anzahl von Textstellen aus literarischen Werken, die sich mit dem Thema Hässlichkeit beschäftigen. Das noch relativ junge Medium Film ist mit einigen prägnanten Szenenbildern vertreten, und es finden sich auch Beispiele, die man nicht unbedingt in so einem Buch vermutet hätte. Eco schildert etwa die Geschichte des Pariser Eiffelturms, der zur Zeit seiner Entstehung von vielen Franzosen als beispiellos hässlich angesehen wurde. Solche Themen streift der Text jedoch nur am Rande, das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf der Hässlichkeit des menschlichen Körpers.
Eco beschränkt sich nicht nur auf die Frage, was in verschiedenen Epochen als hässlich betrachtet wurde, sondern schildert auch, welchen Stellenwert das Hässliche in der Gesellschaft hatte. Während in der Antike häufig ein Zusammenhang zwischen körperlicher Hässlichkeit und einem schlechten Charakter hergestellt wurde, kultivierte man im Barock und der Romantik das Hässliche als Gegenentwurf zur langweilig gewordenen körperlichen Perfektion. In dieser Zeit wurde auch der Schönheitsfehler salonfähig, dessen Konzept bis heute Gültigkeit behalten hat – man denke nur an den Leberfleck von Topmodel Cindy Crawford.
Für alle, die einmal einen Blick auf die Kehrseite der Schönheit werfen wollen, ist "Die Geschichte der Häßlichkeit" also uneingeschränkt empfehlenswert. Es ist zwar zu bemängeln, dass sich Eco fast ausschließlich mit der "westlichen" Sicht auf die Hässlichkeit auseinandersetzt, bei der schieren Masse an Material ist dies aber zu verschmerzen. Ecos verständliche und anschauliche Ausdruckweise führt dazu, dass man trotz des wissenschaftlichen Anspruchs des Buchs auch als Nicht-Akademiker gerne darin lesen mag.
Infos: Umberto Eco: "Die Geschichte der Häßlichkeit", Carl Hanser Verlag, München 2007, ISBN 978-3-446-20939-8, 465 Seiten, Preis: 39,90 Euro