Die Frage, was Schönheit eigentlich ausmacht, beschäftigt die Menschen seit jeher. Der Regensburger Wissenschaftler Martin Gründl hat nun eine eher ungewöhnliche Antwort darauf gefunden: eine mathematische Formel.
Mit der Formel b0 + b1 * x1 + b2 * x2 + ... + bn * xn soll sich die weibliche Attraktivität exakt messen lassen. YaaCool sprach mit dem Diplom-Psychologen Martin Gründl über deutsche Schönheitsideale, den perfekten Körper und die Berechnung der Attraktivität.
YaaCool: Martin Gründl, wie kamen Sie dazu, die Attraktivität zu errechnen?
Martin Gründl, Lehrstuhl für Allgemeine und Angewandte Psychologie, Universität Regensburg: Ich beschäftige mich nun schon seit 2001 mit Attraktivitätsforschung. Damals nahm ich an einem Forschungswettbewerb zur Attraktivität von Gesichtern teil und mittlerweile gehört das Thema zu meinen Schwerpunkten.
Wie lässt sich Schönheit messen?
Martin Gründl: Unsere Ausgangsfrage war: Welche Merkmale machen eine Frau attraktiv? Um das herauszufinden, haben wir Körper an bestimmten Stellen vermessen und die Verhältnisse der Maße, zum Beispiel die Taillenweite im Verhältnis zur Hüftbreite, errechnet. Anschließend wurden Fotos der Körper von Versuchspersonen auf einer Skala von eins bis sieben beurteilt – eins steht für sehr unattraktiv, sieben für sehr attraktiv. Die Daten werteten wir statistisch mit einer so genannten multiplen Regressionsanalyse aus. Das Resultat der Analyse ist eine Formel, in der die Körpermaße jeweils mit einem konstanten Faktor multipliziert und aufsummiert werden. Das Ergebnis der Formel ist ein Zahlenwert zwischen eins und sieben, der die Attraktivität der Person vorhersagt. Es geht uns aber nicht darum, Schönheit auf einen Zahlenwert zu reduzieren. Die Formel dient nur dazu, unsere Ergebnisse zu überprüfen: Indem wir neue Figuren vermessen, ihren Attraktivitätswert errechnen und die Fotos anschließend wieder Testpersonen zur Beurteilung vorlegen, können wir feststellen, ob das Modell funktioniert.
Und, funktioniert die Formel zu Berechnung der Attraktivität?
Martin Gründl: Ja, wir haben die Formel vielfach überprüft und es besteht ein starker, wenn auch nicht perfekter Zusammenhang.
Ist das Schönheitsideal nicht sehr subjektiv?
Martin Gründl: Ja, Subjektivität spielt immer eine Rolle. Es gibt einerseits Menschen, die einen sehr individuellen Geschmack haben und andererseits Personen, die immer sehr streng oder sehr großzügig bewerten. Deswegen berechnen wir bei der Auswertung den Mittelwert aller Beurteilungen und geben damit sozusagen an, was der durchschnittliche Deutsche als schön empfindet. Das ist natürlich eine Vereinfachung der Komplexität, die aber nötig ist. Die Formel sagt also den Geschmack der deutschen Bevölkerung voraus, nicht den Geschmack einer Einzelperson.
Welche Maße muss eine Frau haben, um als schön zu gelten?
Martin Gründl: Das lässt sich nicht in Zentimetern ausdrücken. Frauen sind ja zum Beispiel sehr unterschiedlich groß und jedes Maß muss im Verhältnis zur Körpergröße gesehen werden. So beträgt zum Beispiel die Schulterbreite der von uns untersuchten Top-Models 19,9 Prozent der Körpergröße. Der durchschnittliche Wert normaler Frauen beträgt etwa 22,6 Prozent. Dabei gibt es aber körperliche Merkmale, die die Attraktivität stark oder weniger stark beeinflussen. So ist die Breite der Schultern zum Beispiel weniger relevant für den Gesamteindruck, der Taillenumfang dagegen sagt viel aus. Allgemein werden besonders schlanke bis mittelschlanke Frauen mit sehr schlanker Taille als attraktiv bewertet. Die Hüftbreite ist da nicht ganz so wichtig, sie muss nur ungefähr im mittleren Bereich liegen. Auch bei der Oberweite tendieren die meisten Deutschen zu einem mittleren Maß. Sie ist aber lange nicht so wichtig wie vielleicht gedacht: Die meisten Topmodels, deren Körper als sehr attraktiv bewertet wurden, besitzen sehr kleine Brüste, denn sie haben kaum Fett am Körper – trotzdem sind sie schön, weil sie schlank sind und lange Beine haben. Schlankheit ist demnach viel wichtiger als die Oberweite. Diese Gewichtung berücksichtigt unsere Formel natürlich.
Können sich Frauen die Formel irgendwo errechnen lassen?
Martin Gründl: Ja, wir haben eine Internetseite (Link Beautycheck siehe unten, Anmerkung der Redaktion), auf der die Formel sowie Erklärungen und Hintergrundinformationen bereit stehen. Zudem bieten wir einen Service an: Frauen können auf der Seite ein Foto von sich hochladen und an uns schicken. Wir berechnen dann die Körpermaße und ermitteln anhand unserer Formel den sogenannten Beauty-Quotient.
Wird der Service genutzt?
Martin Gründl: Ja, es gibt ein reges Interesse daran. Wir hatten gehofft, auf diese Weise mehr Bildmaterial für die Forschung zu bekommen, aber leider ist die Bildqualität meist so schlecht, dass wir zwar den Beauty-Quotient errechnen, nicht aber damit forschen können.
Gibt es auch schon eine Formel für das perfekte Gesicht?
Martin Gründl: Für das Gesicht haben wir noch keine zufriedenstellende Formel gefunden. Das liegt daran, dass die Vermessung des Gesichts viel komplizierter ist und mehr Merkmale eine Rolle spielen. Zudem lassen sich die perfekten Gesichtsmaße weniger gut ermitteln. Nehmen wir zum Beispiel die Größe der Nase: Diese darf weder zu klein, noch zu groß sein, sondern muss sich sehr genau in einem Mittelmaß befinden. Wird das Optimum nur ein wenig verändert, schlägt das Ganze schnell ins Negative um. Beim Körper ist das anders: Da kann man Aussagen machen wie "je schlanker die Taille, desto schöner". Das geht natürlich auch nur bis zu einem gewissen Maß, zu dünne Menschen werden nicht als attraktiv empfunden.
Und eine mathematische Formel für den männlichen Körper?
Martin Gründl: Wir arbeiten bereits an solch einer Formel. Bisher konnten wir aber noch nicht genug Männerkörper zum Vermessen finden, um eine gültige Aussage zu machen. Zudem bereitet uns die Körperbehaarung Schwierigkeiten, die für das Attraktivitätsurteil eine bedeutende Rolle spielt. Wie sollen wir die messen?
Wieso konzentrierten Sie sich zuerst auf eine Formel für den weiblichen Körper?
Martin Gründl: Das war eher Zufall, irgendwo muss man ja anfangen. Dabei ist die männliche Attraktivität eigentlich interessanter, denn dazu gibt es bisher weniger Forschung. Außerdem gehen die Meinungen darüber, wann ein Mann schön ist, viel mehr auseinander. Bei Frauen gibt es da relativ klare Vorstellungen.
Ist die Formel allgemeingültig?
Martin Gründl: Das Verfahren ist allgemeingültig, die Formel nicht. Wir haben nur untersucht, was die Deutschen im Durchschnitt als schön empfinden und auf diesen Daten unsere Schönheitsformel aufgebaut. Das gilt dann sehr wahrscheinlich auch für Österreich oder die Schweiz, da die Länder demselben Kulturkreis entstammen. Ganz generell aber gehen die Meinungen über den perfekten Körper stark auseinander. Um das japanische Schönheitsideal zu errechnen, müssten wir erst Daten von japanischen Beurteilern auswerten. Im Westen ist zum Beispiel das Schlankheitsideal sehr stark ausgeprägt. Die Mehrheit der Völker aber empfindet fülligere Frauenkörper als schön.
Denken wir in 30, 40 Jahren immer noch genauso über die Schönheit wie heute?
Martin Gründl: Schönheitsideale ändern sich – wenn auch sehr langsam. Wenn man sich jahrhundertealte Gemälde oder Skulpturen ansieht, fällt das auf. So hat sich zum Beispiel die Vorstellung vom Idealgewicht seitdem stark verändert. Andere Merkmale dagegen wie das Verhältnis der Taille zur Hüfte werden über die Jahrhunderte hinweg relativ gleich beurteilt – nur im Mittelalter gab es davon eine Abweichung. Unser mathematisches Modell ist also nicht naturgegeben, sondern abhängig vom Menschen. Was schön ist, bestimmt die Mehrheit der Bevölkerung.
Nach den Ergebnissen ihrer Forschung zu urteilen – gibt es den perfekten Körper?
Martin Gründl: Nein, den gibt es nicht. Selbst die schönsten Topmodels erhalten auf unserer Skala im Durchschnitt nur den Wert 5,5 – das liegt zwischen 5 (eher attraktiv) und 6 (ziemlich attraktiv). Und tatsächlich finden wir an ihren Körpern Maße, die nicht dem Ideal entsprechen. Ein Beispiel, das ich bereits erwähnt habe, sind die zu kleinen Brüste. Hier sieht man, dass sich die Idealmaße in der Realität kaum vereinbaren lassen: Sehr schlanke Frauen haben natürlich auch weniger Fett und folglich eher kleine Brüste. Mit dem Computer lässt sich ein sehr attraktiv wirkendes Idealbild einer schlanken Frau mit Kurven erstellen – in der professionellen Fotoretusche zum Beispiel für Zeitschriftencover wird dies ja auch häufig gemacht. Doch diese Maße sind absolut unrealistisch, sie kommen in der Natur nicht vor.
Herr Gründl, wir danken Ihnen für das sehr aufschlussreiche Gespräch!
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