YaaCool: René Koch, als erfolgreicher Visagist stehen Sie seit Jahrzehnten im Dienste der Schönheit. Was bedeutet Ihnen Schönheit?
René Koch, Visagist: Schönheit bedeutet für mich alles, denn sie öffnet die Türen, wie die Philosophen sagen. Schönen Menschen, besonders schönen Frauen, lag die Welt schon immer zu Füßen: Kleopatra, die schöne Helena, Madame Pompadour, Lola Montez, Mata Hari, Marlene Dietrich, Marilyn Monroe ... Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Allerdings mußten und müssen all diese Frauen für ihre Schönheit eine Menge tun. Denn Schönheit ist kein Zufall.Stars und Sternchen aus Showbiz, Politik und Wirtschaft vertrauen sich Ihren Händen an. Hand auf’s Herz: Wessen Gesicht ist in Ihren Augen wirklich schön?
René Koch: Bei uns Visagisten gibt es, ähnlich wie bei den Modedesignern, die die Traummaße 90-60-90 propagieren, auch eine Art "Goldener Schnitt": die Proportionen der Gesichtsform, der Augenabstand, das Verhältnis von Stirn zu Kinn und das der Lippen zu den Augen muss stimmen. Gut proportionierte Gesichter haben zum Beispiel Claudia Schiffer, Naomi Campbell und Angelina Jolie.Eine Ihrer berühmten Kundinnen ist Joan Collins, vielen unvergesslich im Gedächtnis als "das Biest" der US-TV-Serie "Der Denver-Clan" aus den 80er Jahren. Wie gehen Sie bei einem solchen Star zu Werke, wer bestimmt das Make-up: Star oder Visagist?
René Koch: Zumeist ist das Star-Make-up Teamarbeit. Die Diva gibt den Rahmen vor und ich versuche, dies in Form und Farbe umzusetzen, mache aber auch eigene Vorschläge. Experimente sind allerdings nur an drehfreien Tagen erlaubt. Da sind dann oft die besten Make-up-Styles kreiert worden, die von vielen Frauen später kopiert wurden.Haben Sie ein Ritual, um Ihre Schönheit zu pflegen?
René Koch: Ja, sogar mehrere. Mein Tag beginnt mit Wechselduschen. Danach esse ich bis Mittag nur Obst (keine Bananen, denn die haben viel Stärke). In Amerika nennt man das "Fit For Life". Dazu trinke ich 7-x-7-Kräutertee, der aus 49 Kräutern besteht und einen basischen ph-Wert von 8,5 hat. Den Tag beende ich regelmäßig mit einem Glas Rotwein, der durch seine Flavonoide über wertvolle Antioxidantien verfügt, das sind Schutzstoffe gegen die "Freien Radikalen", die Bösewichter, die uns schneller altern lassen.Haben Sie einen besonderen Schönheitstipp für unsere Leser?
René Koch: Streichen, Kneten, Klopfen. Und zwar überall und so oft Sie können. Sei es, um Hängebäckchen zu heben, Oberschenkel zu straffen, Fältchen zu glätten. Mit diesen Massagegriffen kann jede Creme effektiver in die Haut einziehen, die Durchblutung des Gewebes also angeregt werden und so können die Wirkstoffe, im wahrsten Sinne des Wortes, besser wirken. Hier setze ich auf Hyaluronsäure, Q10, Vitamin E und Collagen.Aktuellen Umfragen zufolge sind die Deutschen Herren Europameister in Sachen Körperpflege und –Styling. Was sagen Sie zu den "neuen Männern" hierzulande, die sich offensichtlich mehr und mehr für Kosmetika interessieren und diese auch tatkräftig benutzen?
René Koch: Ich finde es gut, dass die Männer endlich begriffen haben, dass gepflegte "Adams" mehr Erfolg im Beruf und auch bei den Frauen haben. Natürlich gibt es heute, sei es in der Werbung oder dank prominenter Sportler wie David Beckham und Thomas Rupprath endlich auch für Männer kosmetisch bewusste Vorbilder. Also Männer, ran an die Cremetöpfe!René Koch, hat Ihr Aussehen Ihnen jemals Vor- oder Nachteile im Beruf oder im Privatleben gebracht?
René Koch: "Jein". Letztlich zählte bei meiner Arbeit immer das, was ich konnte und so haben mich mein außergewöhnliches Talent, meine ausgefeilte Schminktechnik und Farbtypologie, meine Kreativität, aber vor allem die Disziplin weiter gebracht. Im Privatleben war es schon eher das Äußere, aber ebenso mein Humor.Als Visagist sind Sie eine Art Magier. Sie sorgen für zauberhafte Momente der Verwandlung – indem Sie die Gesichter Ihrer Kunden gestalten. Lässt sich wirklich jedes "Allerweltsgesicht" schön schminken?
René Koch: Ja, nur muss man das richtige Maß finden. Manche Gesichter vertragen viel Make-up, bei anderen ist weniger mehr. Auf jeden Fall sollte jeder einmal einen Visagisten und Stylisten aufsuchen, um dort auszuprobieren, was möglich ist, beziehungsweise über seine Grenzen zu gehen. So rate ich etwas molligen Frauen, mit einem roten Lippenstift die Blicke so zu lenken, dass man ins Gesicht schaut und nicht auf die Hüften. Also: Roter Mund macht schmale Taille. Ich arbeite auch mit moderner Computertechnik, Frisurensimulationen sowie Farbveränderungen mit oft verblüffenden Resultaten.Welches Geheimrezept haben Sie, um schön zu altern?
René Koch: Meine Parole ist "Happy Aging" nicht "Anti Aging". Denn Angst vor dem Alter oder eine Antihaltung gegen das Älterwerden sind keine gute Grundlage. Lachen und fröhlich sein ist anzuraten. Denn Lachfalten sind tausendmal schöner als Kummerfalten. Am schlimmsten sind die starren, faltenlosen, unterspritzten Botox gesichter. So habe ich zum Beispiel eine Kosmetikserie unter dem Namen "Happy Aging" herausgebracht, mit der tägliche Schönheitspflege Spaß machen soll. Darin setze ich sehr stark auf Hyaluronsäure, um die Feuchtigkeit in der Haut besser zu bewahren. Auch das Antifaltenpflaster, über Nacht aufgeklebt, ist eine gute und natürliche Sache.Wo kaufen Sie Kosmetika ein?
René Koch: Dort, wo ich mich fachlich austauschen kann und Vertrauen habe. Das kann im Fachhandel sein, auf Kosmetikmessen oder beim Homeshopping. Denn beim Fernsehversand kann man alles in Ruhe zuhause ausprobieren und bei Nichtgefallen innerhalb von vier Wochen anstandslos zurückschicken. Finde ich prima.Worauf achten Sie beim Kauf von Kosmetika?
René Koch: In erster Linie achte ich auf die Verträglichkeit und die Inhaltsstoffe. Denn laut europäischer Kosmetikverordnung muß alles, was drin ist, auch drauf stehen. Und zwar in der Reihenfolge der verwendeten Mengen. Bei pflegender Kosmetik sollten keine Paraffinöle enthalten sein. Natürlich achte ich auch auf ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis und verzichte der Umwelt zuliebe auf aufwändige Verpackungen. Das sollte jeder tun.Was ich schon immer wissen wollte: Werden Sie von Ihren berühmten Kunden auch zu Notfällen konsultiert, zum Beispiel einem störenden Pickel beim Fotoshooting oder ähnliches? Gibt es eine Begebenheit, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? Und das Allerwichtigste: Wollen Sie uns darüber berichten?
René Koch: Gerne. Hildegard Knef, die ich Jahrzehnte kosmetisch betreut habe, hatte vor einem großen Fototermin am Kinn kleine rote Flechten/Pusteln. Ein Desaster! Diese Stellen habe ich einen Tag vorher mit einer Masque Vitalité aus weißer Tonerde eingepinselt, antrocknen lassen und die folgenden Sätze gesprochen: Flechte weiche, Flechte bleiche, Flechte winde, Flechte schwinde. Man wird es nicht glauben: Am nächsten Tag rief mich die Knef an und sagte: "Alles ist weg".Vertrauen Sie sich in Sachen Pflege/Styling einem Kollegen an? Besuchen Sie ein Kosmetikinstitut? Wenn ja, wie häufig?
René Koch: Natürlich tausche ich mich mit Kollegen des öfteren aus, auf Kongressen, aber auch per Telefon und übers Internet. Ein Kosmetikinstitut brauche ich nicht aufzusuchen, da ich in meinem Cosmetic Camouflage Centrum in Berlin eigene Kosmetikräume habe. Dort probiere ich auch die Neuheiten aus. In Sachen Hairstyling berät mich mein langjähriger Freund Udo Walz.Für die Schönheit sind Sie rund um den Globus tätig - welche drei Dinge gehören Ihrer Ansicht nach in jeden Kulturbeutel?
René Koch: Bei Frauen: Lippenstift, Puderdose und Wimperntusche, bei Männern: Aftershave, Pickelstift und getönte Feuchtigkeitscreme.Welches sind Ihre Lieblinge unter den Kosmetika? Und warum?
René Koch: Meine absoluten Lieblinge in der dekorativen Kosmetik sind die im Moment sehr angesagten Mineralpuder, die wie ein leichtes, mattierendes Make-up wirken und einen ganz natürlich aussehen lassen. Ihr Vorteil ist, sie sind parfüm- und konservierungsmittelfrei und haben durch Titandioxid sogar noch einen leichten Sonnenschutz und durch Zinkoxid eine beruhigende Wirkung auf die Haut. Das Besondere aber ist das enthaltene Mica, das Pulver des Glimmersteins - also lichtreflektierende Pigmente, die die Haut strahlender und optisch faltenfreier wirken lassen.Hatten Sie schon einmal ein besonderes Erlebnis im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Kosmetika?
René Koch: Ein besonders beeindruckendes Erlebnis war für mich am Strand von Teneriffa, wo Einheimische mit Aloe-Vera-Barbadensis-Pflanzen herum liefen, die Blätter abschnitten und Touristen die sonnenverbrannten Stellen mit dem Pflanzen-Gel betupften und guten Erfolg damit hatten. Seitdem bin ich ein großer Fan dieser Wüstenlilie.René Koch, lassen Sie mich abschließend auf ein besonders wichtiges Thema zu sprechen kommen: Sie sind ein Experte in Sachen Camouflage. 1996 haben Sie den gemeinnützigen Verein "Arbeitskreis Camouflage e.V" gegründet, der sich für Menschen mit Brand- und Unfallnarben sowie angeborenen und erworbenen Hautanomalien einsetzt. Sie haben auch ein Buch zum Thema geschrieben. Für Ihr ehrenamtliches Engagement bezüglich Camouflage wurden Sie 2002 vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen der Verdienstorden?
René Koch: Wie alle Orden und Ehrungen, denn neben dem Bundesverdienstorden habe ich noch die Asta Poppelsdorff Medaille, die Goldene Maske für Kreativität und Trendbestimmung sowie den Cosmetic Oscar erhalten, ist es zunächst eine Anerkennung für das Engagement, das ich aufgebracht habe und für die vielen Hürden, die ich im Bereich der Camouflage überwinden musste. Es ist aber auch ein Ansporn weiterzumachen, um das Stiefkind der Kosmetik, die Camouflage, weiter populär zu machen und zu zeigen, was mit dieser Technik alles möglich ist. Auch gibt es viel mehr Betroffene, als man denkt. Und jeder kennt es: Manchmal kann schon der kleinste Pickel, das rote Äderchen oder der Bluterguss auf der Wange eine Sinnkrise auslösen.Sie sind weit und breit der einzige Visagist, der sich eines solchen Ordens rühmen darf. Wie hat das Bundesverdienstkreuz Ihr Leben und/oder Arbeiten verändert?
René Koch: Ich denke, in der Kosmetik gibt es einige Menschen, die sich verdient gemacht haben und auf ihrem Gebiet auch den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland "verdient" haben. Mein Leben hat es nur in so weit verändert, dass ich heute weiß, dass ich es richtig gemacht habe: Nicht nur die Schönen noch schöner zu machen, sondern auch den Menschen zu helfen, die durch Unfall oder eine angeborene Hautanomalie meinen Rat und meine Hilfe suchen. Die strahlenden Augen von Betroffenen nach einer perfekten Camouflage erfüllen mich mehr als alle Orden dieser Welt.Vielen Dank, René Koch, dass Sie uns Rede und Antwort gestanden haben!
Zur Person: René Koch
René Koch wurde am 22. September 1945 in Heidelberg geboren. Zunächst machte er in Mannheim eine Lehre als Werbedisplaygestalter (1959 bis 1962). 1963 kam Koch nach Berlin, wo er als Tellerwäscher, Barkeeper, Travestiekünstler und Obstverkäufer jobbte. 1968 besuchte er die Fachschule für Kosmetik in Berlin. Nach dem Abschluss der Schule und der Visagistenausbildung in der Schweiz bei der US-amerikanischen Kosmetikfirma "Charles of the Ritz" war er 21 Jahre Chefvisagist derselben und bei Yves Saint Laurent. Seine Arbeit führte Koch rund um den Globus: nach Paris, London, New York, Zürich, München und Berlin. Die Liste seiner Kunden schmücken berühmte Namen wie Joan Collins, Shirley Bassey, Jodie Foster, Claudia Schiffer, Eartha Kitt, Judy Winter, Hildegard Knef, Veronika Fischer, Dagmar Frederic. Heute betreibt der Visagist in Berlin das Cosmetic & Camouflage Centrum, ein Institut für Farb-, Stil-, Image- und Camouflageberatung sowie Permanent- Make-up. Außerdem ist der Visagist Herausgeber einer Kosmetikserie unter eigenem Label.Für sein Schaffen wurde René Koch mehrfach geehrt, unter anderem 1986 mit dem "Cosmetic Oscar" vom Verband der Kosmetikpräparate und Geräte- Firmen e.V. (VKPG) und vom Bundesverband Deutscher Kosmetikerinnen (BDK), 2000 auf der 6. Münchner Fortbildung für Dermatologie und Kosmetik mit der "Asta Poppelsdorff Medaille" für seine Verdienste in der Kosmetik, 2002 mit dem "Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland" (Bundesverdienstkreuz) für sein ehrenamtliches Engagement in der Camouflage und 2003 mit der "Goldenen Maske für Kreativität und Trendbestimmung" auf der Cosmetica Berlin.
Koch ist Ehrenmitglied im Verband der Imageberater Deutschland (VID), Ehrenmitglied im Europäischen Fachverband für dauerhafte Schminkmethoden (EFDS) sowie Fördermitglied im Bundesverband Deutscher Kosmetikerinnen (BDK). Seit 1995 sitzt er im Kuratorium der Berliner Aids- Hilfe e.V. 1996 gründete René Koch den Arbeitskreis Camouflage e.V., einen gemeinnützigen Verein für Menschen mit Brand- und Unfallnarben sowie angeborenen und erworbenen Hautanomalien, dessen 1. Vorsitzender er ist.
Außerdem ist René Koch Autor verschiedener Schönheitsbücher wie "Lucky Lips: Die rote Verführung. 125 Jahre Lippenstift" (2008), "Löffeln Sie sich fit und schön. Frisch, jung und faltenfrei mit der Löffelmassage" (2002), "Camouflage - Make-up für die Seele" (2001) und "Wellness für Haut und Haar" (2000).