Volkskrankheit Neurodermitis: ein Überblick
In Deutschland sollen zwischen 3,5 und 4 Millionen Menschen von der Hautkrankheit Neurodermitis (Atopische Dermatitis) betroffen sein. Sie äußert sich durch trockene, empfindliche und stark juckende Haut. Eine Neigung zu Neurodermitis ist bei ein bis drei Prozent der Erwachsenen und bei 10 bis 20 Prozent der Kinder vorhanden. Überwiegend (in etwa 60 Prozent aller Fälle) tritt die Krankheit bereits im ersten Lebensjahr auf. Zum Beispiel kann der Milchschorf bei Babys schon ein Anzeichen für eine Neurodermitis sein (muss es aber keineswegs!). Neurodermitis kann allerdings auch im Erwachsenenalter erstmalig auftreten. Wenn Kinder betroffen sind, verringern sich die Symptome der Neurodermitis oft im Laufe der Jahre und sind mit der Pubertät ganz verschwunden.Symptome der Neurodermitis
Zu den Symptomen gehören weißer Dermographismus (beim Kratzen der Haut bilden sich weiße Streifen auf der Haut, anders als auf gesunder Haut, auf der sich beim Kratzen rote Streifen bilden), Betroffene haben oft eine doppelte Lidfalte, die Augenbrauen sind ausgedünnt und die Hautfaltung ist vergröbert (Lichenifikation). An sich unterscheidet sich die Haut eines Neurodermitispatienten von gesunder Haut durch einen gestörten Säureschutzmantel. Deswegen ist die unter Neurodermitis leidende Haut extrem empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen und trocknet auch schnell aus.Ursachen der Neurodermitis
Die Ursachen von Neurodermitis sind noch nicht abschließend geklärt. Allgemein wird angenommen, dass Neurodermitis erblich bedingt ist. Allerdings hat man herausgefunden, dass bei immerhin dreißig Prozent der Betroffenen keine Fälle von Neurodermitis-Erkrankungen innerhalb der Familie festgestellt werden konnten. Dies deutet auf die Richtigkeit der These hin, dass für die Entstehung von Neurodermitis nicht allein die Gene verantwortlich sind.Vererbung und Neurodermitis
Auf jeden Fall spielt die Vererbung eine wichtige Rolle: Leidet ein Elternteil unter Neurodermitis, so liegt die Wahrscheinlichkeit, dass bei den Kindern Neurodermitis auftritt, bei dreißig Prozent. Haben beide Elternteile die Krankheit, so erkranken deren Kinder zu ungefähr sechzig Prozent an Neurodermitis. Die Forschung geht von einem Zusammenspiel von Genetik und Umwelt aus. Nicht weniger als zwanzig Gene werden beschuldigt, an der Entstehung von Neurodermitis beteiligt zu sein.Atemwegserkrankung, Allergien und Neurodermitis
Die Forscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin und Kinderärzte der Berliner Charité haben im September 2007 eine Studie veröffentlicht, in der sie zu der Ansicht gelangt sind, dass ein bestimmtes Gen den Bauplan für das Kollagen 29 enthalten soll. Dieses Kollagen reguliert die Funktionen der Epidermis und soll bei Neurodermitiskranken fehlen oder zumindest fehlerhaft sein. Dieses Gen spielt auch für die Funktion von Lunge und Darm eine Rolle. Deswegen glauben die Forscher, dass eine kausale molekulare Verbindung zwischen Neurodermitis, Atemwegserkrankungen und Nahrungsmittelallergien bestehen könnte. Dass die Symptome bei einigen Betroffenen im Laufe der Zeit verschwinden oder ganz aufhören, könnte damit zusammenhängen, dass der Gendefekt nicht bei allen, sondern nur bei ungefähr zwei Millionen Körperzellen vorhanden ist: Es besteht die Möglichkeit, dass auch die weniger oder gar nicht beschädigten Genvarianten zum Einsatz kommen. Wie und in welchem Ausmaß die Gene gelesen und daraufhin Proteine erstellt werden, ist allerdings noch nicht geklärt.Neurodermitis und Stress
Dass Neurodermitisschübe häufiger oder in verstärkter Form bei Stress auftreten, stützt die Annahme, dass auch das vegetative Nervensystem bei der Entstehung oder zumindest dem Ausmaß von Neurodermitis eine Rolle spielt. Dafür spricht auch die Anatomie: Nervensystem und Haut entwickeln sich beim Embryo aus einer gemeinsamen Anlage, weswegen die Haut ohnehin stark auf die Psyche reagiert. Die Haut und das Nervensystem können über chemische Botenstoffe direkt miteinander kommunizieren!Tatsächlich leiden signifikant viele Neurodermitispatienten gleichzeitig an Hausstaub-, Tierhaar- oder Nahrungsmittelallergien und Asthma.