Veränderte Arbeitsbedingungen haben in Japan eine neue Generation von extrem schönheitsbewussten Männern hervorgebracht.
Sie verzichten auf Fleisch, doch nicht auf Lippenstift: Junge Japaner zwischen 20 und Mitte 30 haben ein neues Schönheitsideal für sich entdeckt. Weil viele von ihnen Vegetarier sind, werden sie "soshoku-danshi" genannt, was sich etwa mit "pflanzenfressender Mann" übersetzen lässt. Doch was steckt hinter diesem Trend? YaaCool stellt das neue Lebensgefühl einer neuen Generation von Männern vor.
Feminität und Verweigerung
Die japanische Kolumnistin Maki Fukasawa prägte im Jahr 2007 den Begriff des "soshoku-danshi" und verlieh damit einem Phänomen, dass seit Kurzem auf Japans Straßen zu beobachten ist, einen einprägsamen Namen. Viele junge Japaner achten sehr stark auf ihr Äußeres und benutzen Schönheitsutensilien, die eigentlich Frauen vorbehalten sind. Männer mit aufwendig gestalteter Frisur, Lippenstift und
KajalMithilfe eines Kajalstifts (auch Augenkonturenstift oder Khol genannt) trägt man im Rahmen der dekorativen Kosmetik über und unterhalb der Augen Schminke auf.
mehr sind nichts Besonderes mehr. Laut Megumi Ushikubo vom Marketingunternehmen Infinity lassen sich fast 60 Prozent der japanischen Männer zwischen 20 und 34 grob dieser Kategorie zuordnen. Ende 2008 veröffentlichte Ushikubo eine umfangreiche Studie, die Aufschluss über das Phänomen gibt. Den Ergebnissen zufolge handelt es sich nicht nur um oberflächliche neue Schönheitsideale. Vielmehr geht das feminine Aussehen bei den meisten der Männer mit einem neuen Lebensgefühl einher, das sich stark vom Machotum früherer Generationen abgrenzt. Laut Ushikubo wohnen viele noch bei ihren Eltern, halten strenge Diäten und sind nicht auf beruflichen Erfolg fixiert. Letzterer Punkt ist besonders bemerkenswert – schließlich gilt die Aufopferung für die Firma in Japan schon lange als einer der wichtigsten gesellschaftlichen Werte. In kleinen und in großen Gesten machen die "soshoku-danshi" deutlich, dass sie die traditionellen Geschlechterrollen ablehnen. Umfragen zufolge setzen sich 40 Prozent der japanischen Männer beim Urinieren hin. Und auch bizarrere Methoden werden gewählt: Laut der Zeitung "Japan Times" hat die Firma WishRoom schon 5000 Büstenhalter an Männer verkauft. Fester Bestandteil des neuen Lebensstils ist auch die vegetarische Ernährungsweise, die den "soshoku-danshi" ihren Namen einbrachte. Im März befragte eine große japanische Versicherung 500 junge männliche Singles zu ihrer Ernährung - drei Viertel davon würden sich selbst als "Pflanzenfresser" bezeichnen.
Arbeitsverhältnisse und Sexualität
Die Gründe für diese Entwicklung werden vor allem in der wirtschaftlichen Lage Japans gesehen. Viele der "soshoku-danshi" sind in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und müssen mit sehr wenig Geld auskommen. Im Gespräch mit Megumi Ushikubo äußerten mehrere Männer, dass ihnen perfekt sitzende Haare und manikürte Fingernägel mehr Selbstbewusstsein verleihen würden. Die neue Männergeneration Japans geht auch in Bezug auf ihre Sexualität neue Wege. Sie bevorzugt platonische Beziehungen mit dem anderen Geschlecht und gibt ihr Geld für Pornografie und Sexspielzeuge aus. Mit Folgen für die Kondomindustrie: Laut der "Japan Times" verzeichnet diese rapide sinkende Umsätze.