Ohrkerzen kommen in Deutschland seit fast 20 Jahren zum Einsatz - dennoch sind sie umstritten: Viele Naturmediziner schwören auf ihre heilende Wirkung - Schulmediziner warnen jedoch häufig vor dieser Form der Ohr-Behandlung. Was ist dran an der Kerze, die oft zu hitzigen Debatten führt?
Ohrkerzen werden damit beworben, dass sie bereits vor über 900 Jahren bei den Ureinwohnern Nord- und Mittelamerikas sowie im asiatischen Raum als Naturheilmittel zum Einsatz gekommen sind. Ihnen wurde laut Werbebotschaft schon damals eine heilende Wirkung zugeschrieben, die über eine einfache Ohrreinigung hinausgeht. Beides wird jedoch von Wissenschaftlern in Frage gestellt, da es keinerlei Hinweise auf die historische Verwendung von Ohrkerzen gibt und auch ihre medizinische Wirksamkeit bislang nicht belegt werden konnte. Viele Heilpraktiker sind dennoch von der gesundheitsfördernden Wirkung der Kerzen überzeugt.
Ohrkerzen - so sollen sie wirken
Ohrkerzen sind 20 bis 30 Zentimeter lang und haben einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter. Sie bestehen zum Großteil aus Bienenwachs, pulverisierten Pflanzenbestandteilen und
ätherischen ÖlenÄtherisches Öl ist ein flüchtiger, meist angenehm riechender Extrakt, der aus verschiedenen Pflanzen wie zum Beispiel Jasmin, Anis, Kamille oder Baldrian gewonnen wird und wegen der geringen Ausbeute sehr teuer ist.
mehr. Die Anwendung soll ganz einfach sein: Der Patient liegt auf der Seite, die Kerze wird senkrecht in das Ohr gesteckt und angezündet. Durch den Verbrennungsprozess soll in der Kerze ein Luftstrom entstehen, der am unteren Ende der Ohrkerze zu einem Unterdruck führt. Dies soll sich dann wiederum positiv auf das Mittelohr und die Nebenhöhlen auswirken: Neben der entschlackenden Wirkung sollen sich damit auch Ohrgeräusche, Kopfdruck, Migräne, chronische Ohrbeschwerden oder sogar Hörschwächen erfolgreich behandeln lassen – glaubt man den Ohrkerzen-Herstellern. Auch auf viele Akupunktur-Punkte im Ohr sollen sie wirken und somit zur Entspannung des ganzen Körpers und zur Anregung des Stoffwechsels führen.
Wirkung von Ohrkerzen wissenschaftlich nicht belegt
Alles Quatsch, sagen die Wissenschaftler. Sie lehnen Ohrkerzen in der Medizin ab. Die Begründung: Der äußere Gehörgang wird durch das Trommelfell luftdicht abgeschlossen. Dass der reinigende Luftstrom wie ein Kamineffekt bis in das Mittelohr hinein wirkt, wäre nur bei einem Defekt des Trommelfells überhaupt möglich. Und in einem solchen Falle dürften Ohrkerzen keinesfalls eingesetzt werden. Außerdem könne laut der medizinischen Fachwelt auch der geringe Unterdruck nicht ausreichen, um Schlacken aus dem Körper zu leiten. Eine Studie der Cambridge University ergab sogar, dass weder ein Unterdruck durch Ohrkerzen messbar war, noch Ohrenschmalz aus dem Gehörgang entfernt wurde. Stattdessen wurden bei einigen Patienten nach der Anwendung Wachspartikel im Gehörgang gefunden. Die Wissenschaftler warnen deshalb vor den Ohrkerzen, weil nach ihrer Einschätzung auch eine Verbrennungsgefahr für das Trommelfell besteht.
Ohrkerzen: Vor der Anwendung unbedingt den Facharzt befragen
Da der Einsatz von Ohrkerzen auch gesundheitliche Risiken bergen kann, sollte vor einer solchen Behandlung dringend die Gesundheit der Ohren überprüft werden. Dazu rät auch die Heilpraktikerin Ranina Monika Janz im YaaCool-Interview: "Nicht anwenden würde ich die Ohrkerze bei allen akut entzündlichen Erkrankungen im Ohrbereich und überhaupt bei besonderen Ohr-Problemen, wenn nicht ein behandelnder Arzt der Anwendung ausdrücklich zugestimmt hat. ... Jeder Heilpraktiker, der eine Ohrkerzenbehandlung anbietet, sollte zudem über ein Otoskop verfügen, mit dem er vor der Anwendung abklären kann, ob nicht doch ein bisher nicht bekanntes Loch im Trommelfell besteht, um so die Kontraindikation auch beachten zu können."