Von Cellulite las ich zum ersten Mal in der Zeitschrift "Bravo Girl". Da hatten wir uns aber noch nicht viel zu erzählen. Cellulite sprach immer nur von Orangenhaut und Haut, die sich dellt, wenn man sie zusammendrückt. Ich kannte nur Orangenschalen, irgendwann dann auch geriebene als Zutat für Weihnachtsstollen. Vom Zusammendrücken der Haut bekam ich nur blaue Flecken. Mein Vater schrie manchmal: Verdammt, da ist ja schon wieder eine Delle! Meistens ist mein älterer Bruder dann mit seinem Wagen gefahren. Meine Mutter antwortete auf die Frage, was denn Cellulite sei, nur: Kind, das erfährst du noch früh genug. Das antwortete sie auch, wenn ich sie nach Petting, Spirale oder Viagra fragte.
Nun ja, es kam wie es kommen musste: Eines schönen Tages, Tante Renate war auch zu Besuch, sah ich Cellulite. Es war Sommer, ich hatte gerade den Führerschein gemacht und mir zur Belohnung einen Bikini gekauft. Ich stand mit dem Rücken vor dem großen Wandspiegel bei uns im Hausflur, hielt einen kleinen Spiegel hoch über meinen Kopf und betrachtete meine Rückseite im neuen Zweiteiler. Abwechselnd spannte ich eine Pobacke an - ich weiß auch nicht, wieso ich das tat - aber auf einmal sah ich sie: Cellulite dellte sich über meinen angespannten Po und grinste frech!
Mit der Zeit nahm Cellulite Besitz von meinem Körper. Sie machte sich auf dem gesamten Hintern, den Oberschenkelrückseiten, den Oberschenkelvorderseiten und schließlich auch auf den Speckröllchen am Bauch breit. Zuerst wollte ich, dass Cellulite ihren Koffer packt und geht. Sie antwortete jedoch, eine Frau ohne Cellulite ist keine Frau. Peng! Das saß. Am Frausein wollte ich auf keinen Fall etwas ändern.
Also blieb Cellulite. Ich blieb Frau und beschloss, ihr den Aufenthalt auf meiner Haut so schwer wie möglich zu machen: Wir zerren seitdem an jedem Quadratzentimeter meiner Haut. Cellulite ist wirklich gierig. Was habe ich nicht alles schon versucht, um sie in Schach zu halten: Anti-Cellulite-Cremes, Anti-Cellulite-Massagen, Anti-Cellulite-Diäten. Cellulite lachte nur und besetzte meine linke Wade. Sie lachte auch, als ich mich eine Zeit lang in Anti-Cellulite-Hosen quetschte. Mir war das Lachen inzwischen vergangen. Mein Anti-Cellulite-Feldzug hatte mich meine lange angesparte Urlaubsreise gekostet. Es musste einen anderen Weg geben, um mit Cellulite zurechtzukommen.
Mehrere Cremetiegel und eine hochmoderne Zupfmassage später erfuhr ich, dass Cellulite eine Hauterscheinung ist, die durch prall gefüllte Fettzellen entsteht. Aufgrund der Struktur des weiblichen Bindegewebes fühlt sich Cellulite bei uns Frauen am wohlsten. Anders als beim Mann verläuft unsere Gewebestruktur nämlich parallel und nicht vernetzt. Und dank des parallelen Gewebes können sich die weiblichen Fettzellen so schön in alle Richtungen hin ausdehnen. Also ich gab kein Geld mehr für Anti-Cellulite-Zeug aus.
Mein Geld stecke ich seit einiger Zeit in Ballaststoffe. Denn ballaststoffreiche Ernährung bekommt Cellulite gar nicht gut. Ich esse also viel Obst, Gemüse und Gerichte aus Vollkorngetreide. Viel Bewegung kann Cellulite auch nicht leiden. Beides hilft aber, Fett abzubauen und den Stoffwechsel anzukurbeln. Außerdem trinke ich viel. Und so habe ich das Gefühl, Cellulite in Schach halten zu können. Versuchen Sie es doch auch mal damit!