BIID - Forschung steckt noch in den Kinderschuhen
Die Krankheit ist bislang wenig erforscht und tritt verhältnismäßig selten in Erscheinung. In Deutschland widmete sich unter anderem Professor Erich Kasten, Neuropsychologe von der Universität Lübeck, der BIID. Laut der Fachzeitschrift "Fortschritte der Neurologie - Psychiatrie" hat er neun Patienten eingehend untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass die Ursache möglicherweise im zentralen Nervensystem liegt, denn eine psychische Krankheit konnte er bei keinem der Patienten feststellen. Jeder der Betroffenen verspürt den Drang, unterschiedliche Körperteile loswerden zu wollen. Daraus schließt Kasten auf eine Schädigung des Gehirnbereichs, der das Körperbild speichert und abbildet. Die Betroffenen stören sich entweder an den Beinen oder an den Armen. Unsicherheit herrscht höchstens darüber, ob eine linksseitige oder rechtsseitige Amputation erstrebenswert wäre. Das individuelle Schönheitsideal ist für Betroffene demnach nicht irgendeine körperliche Asymmetrie: Wer ein Bein als störend empfindet, gerät bei dem Gedanken einen Arm zu verlieren sogar regelrecht in Panik.BIID - Behinderung als Schönheitsideal
Einen guten Grund für den Amputations-Drang konnten die Untersuchten nicht nennen. Einige möchten ihren Körper anders erleben und sehen in der Versehrtheit das perfekte Schönheitsbild. Ebenso wird die Herausforderung, mit einem behinderten Körper zu leben, für manch einen BIID-Patienten fast zur Besessenheit. "Die meisten bewundern die Schönheit eines Stumpfes und sehen Amputierte als Helden, die trotz der Behinderung ihr Leben meistern", erläuterte Kasten gegenüber "focus online". Der überwältigende Amputationswunsch ist für manche Betroffene so stark, dass sie sich selbst verstümmeln.BIID - Der Traum vom perfekten Körper liegt in der Unperfektheit
Eine weitere Studie zu BIID bestätigte die Ergebnisse aus Lübeck. Sie erfolgte an der Psychosomatischen Klinik der Uni Frankfurt. Auch hier stand bei den Patienten im Vordergrund, dass sie sich durch ihre körperliche Vollkommenheit unvollkommen fühlen. Die Absurdität dieser Empfindung ist ihnen durchaus bewusst und die daraus resultierende Scham für viele fast unerträglich. Betroffene, die mit Psychotherapie und Psychopharmaka behandelt wurden, zeigten keine Veränderung in ihrem Körperschema. Für sie blieb als einziger Ausweg nach wie vor die Amputation. Erkenntnisse über eine wirkliche Ursache konnten auch bei dieser Studie nicht gewonnen werden. In Frankfurt wurde ebenfalls festgestellt, dass die Patienten keine psychischen Erkrankungen vorweisen, im Gegenteil: Ihnen wurden überdurchschnittliche Intelligenz und hohe soziale Kompetenz bescheinigt. Vorwiegend sind Männer betroffen, die sportlich und beruflich erfolgreich sind. Der starke Amputationswunsch steht nicht für Resignation und Aufgabe. Betroffene wollen mit der Behinderung genauso weiter funktionieren, und wünschen sich diese Herausforderung sehnlichst für ein erfülltes Leben.Amputation gesunder Körperteile ist hierzulande verboten
Eine wirksame Behandlungsmöglichkeit der BIID gibt es nicht und bei wem sie diagnostiziert wird, der befindet sich in einem persönlichen Dilemma. Betroffene tauschen sich häufig in Internetforen aus. Sie bezeichnen sich selbst als "Wannabes" - Möchtegerns - und posten Fotos, auf denen sie die gewünschte körperliche Behinderung nachahmen: Beine oder Arme werden so abgebunden, dass sie wie ein Stumpf erscheinen, und glücklich zur Schau gestellt. "Antonia" ist Mitglied eines solchen Forums und schwärmt von der Darstellung Behinderter in einer Ausstellung: "Diese Menschen sind der lebende Beweis dafür, dass im Unvollkommenen Schönheit stecken kann".Doch diese unvollkommene Vollkommenheit zu erreichen, ist auf legalem Weg nicht möglich - zumindest nicht in Deutschland. Die Amputation gesunder Körperteile ist verboten - sie verstößt gegen die ärztliche Ethik und gegen das Recht des Menschen auf Unversehrtheit. Hierzulande verweigern Ärzte diesen Eingriff.
Anders in Schottland: 1997 und 1999 amputierte Robert Smith aus Filkirk zwei Männern jeweils ein gesundes Bein - einer davon ist Deutscher. An die Öffentlichkeit gelangte der äußerst umstrittene Eingriff erst durch eine Dokumentation des Fernsehsenders "BBC". Seit dieser Zeit wird BIID erforscht und kontrovers diskutiert. Ärzte raten Betroffenen zum Outing, denn nur so können umfangreiche Erkenntnisse über BIID gewonnen werden.