Schon seit einiger Zeit befasst sich die Forschung mit dem Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Übergewicht.
Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, leitender Oberarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg, hat die Auswirkung von zu wenig Schlaf auf Jugendliche untersucht. YaaCool stellte ihm dazu einige Fragen.
YaaCool: Herr Prof. Dr. Voderholzer, Sie haben den Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Übergewicht bei Jugendlichen untersucht. Wie sind Sie dazu gekommen?
Prof. Dr. Voderholzer: Bei Erwachsenen konnte ein Zusammenhang zwischen Schlafdauer und der Neigung zu Übergewicht festgestellt werden. Uns hat daher interessiert, ob ein solcher Zusammenhang bereits bei Jugendlichen nachweisbar ist.
Ihre Studien haben ergeben, dass dieser wirklich besteht. Wie ist es zu erklären, dass ein Mangel an Schlaf die Entwicklung von überschüssigen Pfunden begünstigt?
Prof. Dr. Voderholzer: Es gibt hierfür verschiedene Erklärungen. Wer weniger schläft hat mehr Zeit zum Essen. Auf der anderen Seite ist er wegen des Schlafmangels müder als andere ausgeschlafene Personen. Müdigkeit begünstigt Antriebslosigkeit und Lustlosigkeit und kann daher zu Bewegungsmangel führen. Es gibt auch biologische Erklärungen. Im Schlaf wird
LeptinLeptin ist ein Hormon, das laut neuer Forschungsergebnisse für den Jojo-Effekt verantwortlich ist.
mehr ausgeschüttet, welches für das Gefühl von Sättigung mitverantwortlich ist. Weniger Schlaf führt zu geringerer Leptinausschüttung, dies wiederum könnte den Appetit steigern. Bei Jugendlichen besteht ein Zusammenhang zwischen Schlafmangel, hohem Fernseh- und Internetkonsum und spätem Zubettgehen. Wir vermuten, dass diese Verhaltensweisen mit Bewegungsmangel und erhöhtem Konsum von "Junk Food" wie Chips et cetera verbunden ist.
Was ist mit Menschen, die sehr viel schlafen? Kann das auch negative Folgen in Bezug auf das Körpergewicht haben?
Prof. Dr. Voderholzer: Von Mensch zu Mensch gibt es große Unterschiede bezüglich des Schlafbedürfnisses. Einige Menschen benötigen nur sechs Stunden, andere neun Stunden. Negative Folgen für das Körpergewicht sind bei habituellen Langschläfern nicht zu erwarten. Ansonsten scheint sehr langes Schlafen auch nicht gesund zu sein. In einer Studie über die Nachtschlafdauer und die Lebenserwartung hat sich herausgestellt, dass Menschen, die länger als neun Stunden nachts schlafen ebenso eine geringere Lebenserwartung haben wie Menschen, die weniger als sechs Stunden schlafen. Für Erwachsene scheint es daher am besten, wenn sie etwa sieben bis acht Stunden pro Nacht schlafen, wobei sieben Stunden nicht für alle notwendig sind.
Würden Sie sagen, dass die Jugendlichen heute weniger Schlaf bekommen als noch vor 20 Jahren?
Prof. Dr. Voderholzer: Es gilt als gesichert, dass Jugendliche heute weniger schlafen als noch vor 20 Jahren, und der Trend scheint sich noch weiter fortzusetzen.
Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diesen Trend?
Prof. Dr. Voderholzer: Es handelt sich um einen gesellschaftlichen Trend, den man nicht ohne Weiteres erklären kann. Am wahrscheinlichsten ist, dass das Leben immer dichter, schneller, intensiver und vollgepackter mit Terminen, Aktionen et cetera wird. Nehmen Sie das Fernsehprogramm: Vor 30 Jahren gab es vier oder fünf Programme, heute gibt es 60. Nehmen Sie das Internet mit seinen Möglichkeiten. Die interessanten Fernsehsendung beziehungsweise die Hauptsendezeit im Fernsehen hat sich immer weiter in die Nacht hinein verlagert, die Menschen gehen immer später zu Bett. Die Gesellschaft wird immer mehr eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft. Damit scheint auch verbunden zu sein, dass man immer weniger Zeit zum Schlafen hat.
Was raten Sie Eltern, deren Kinder nur wenig schlafen?
Prof. Dr. Voderholzer: Eltern sollten informiert sein, dass auch bei Kindern das Schlafbedürfnis unterschiedlich sein kann. Eltern sollten wissen, dass Schlafmangel die Konzentration und Leistungsfähigkeit tagsüber mindert, ohne dass den Betreffenden immer bewusst ist, dass der Schlafmangel daran Schuld ist. Schlafmangel vermindert auch Lern- und Gedächtnisleistungen. Eltern müssen sich darum kümmern, dass ihre Kinder Regeln lernen und dazu gehört auch, dass sie abends rechtzeitig ins Bett gehen. Jugendliche sollten neun Stunden nachts schlafen, weniger als acht Stunden sollten es auf keinen Fall sein.
Herr Prof. Dr. Voderholzer, vielen Dank für das Interview!