YaaCool: Herr Dr. Wagner, wann kommt eine Haartransplantation in Frage?
Dr. Matthias Wagner, Facharzt für Chirurgie und Plastische Chirurgie: Zweifelsohne vor allem bei den androgenetischen Alopezieformen, also dem männlichen Haarausfall in seinen verschiedenen Ausprägungen. Auch eine Glatze, die sich nach einem Unfall bildet und bei der - beispielsweise infolge von Verbrennungen - durch Zerstörung von Hautteilen lediglich ein Narbengewebe ohne Haarfollikel zurückgeblieben ist, lässt sich chirurgisch behandeln.Ungeeignet für das Eingreifen eines Chirurgen sind dagegen Erkrankungen des Haarkleides, zum Beispiel die Alopecia areata (kreisrunder Haarsausfall), bei der die Prognose nicht vorhersehbar ist. Natürlich müssen in jedem Fall vor einer OP die Ursachen eines Haarausfalls abgeklärt werden. Als solche gelten auch Kopfhautinfektionen, Mangelzustände (zum Beispiel der Mangel an Eisen oder Vitaminen), Störungen des Hormongleichgewichts, die Einnahme von Medikamenten oder Schwermetallvergiftungen. Außerdem führen auch gewebezerstörende Erkrankungen zu einem lokalem Haarausfall.
Welche kahlen Stellen lassen sich überhaupt mit Eigenhaar bepflanzen?
Dr. Matthias Wagner: Auf ästhetisch hohem Niveau kann ich kritische Zonen wie den sichtbaren Haaransatz und Geheimratsecken optimal behandeln. Daneben eignen sich die Kleinsttransplantate auch für die Rekonstruktion der Augenbrauen.Müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, um Eigenhaar zu verpflanzen?
Dr. Matthias Wagner: Vor der Transplantation des Eigenhaares beurteile ich die Haarsituation des Patienten sowie die Qualität des Spenderbereiches. Denn ich muss ausschließen, dass eine Erkrankung Ursache für die Glatze ist.Um einer übertriebenen Erwartungshaltung vorzubeugen, ist mir bei dem Gespräch mit dem Patienten sehr wichtig, noch einmal zu betonen, dass es sich bei der Transplantation nicht um eine Haarvermehrung, sondern um eine Umverteilung aus einem "gut bewachsenen" Spenderareal auf eine kahle oder ausgedünnte Empfängerstelle handelt.
Kann das Ergebnis des ersten Eingriffs verbessert werden, indem man nochmals operiert?
Dr. Matthias Wagner: Das ist eine durchaus übliche Vorgehensweise: Um eine Optimierung zu erreichen, kann in einer zweiten oder dritten Sitzung der transplantierte Bereich nochmals verdichtet werden. Der Abstand zwischen den einzelnen Eingriffen sollte jedoch mindestens ein halbes Jahr betragen.YaaCool: Herr Dr. Wagner, gibt es verschiedene Verfahren zur chirurgischen Behandlung einer Glatze?
Dr. Matthias Wagner: Ja, es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Alopezie zu behandeln - die einzelnen Verfahren lassen sich gegebenenfalls sogar miteinander kombinieren.- Alopezieverkleinernde Operationsverfahren werden je nach Erfordernissen mit verschiedenen Schnitttechniken durchgeführt, wobei die benachbarte Haut mobilisiert und dadurch verschlossen wird. In der Regel muss eine derartige Verkleinerung der Glatze in mehreren Operationen erfolgen, da die Dehnbarkeit der Kopfhaut begrenzt ist.
- Ein weiteres Verfahren ist die Gewebeexpansion. Dabei wird der haartragende Teil der Kopfhaut in einem ersten Eingriff mit auffüllbaren Gewebeexpandern vorgedehnt. In einer zweiten operativen Sitzung wird der Expander dann entnommen, die glatzentragende Kopfhaut ausgeschnitten und die vorgedehnte Haut entsprechend verteilt. In mehreren Sitzungen lassen sich so bis zu 50 Prozent der haartragenden Kopfhaut ersetzen. Sie sehen, dass der Aufwand zum Erreichen des gesteckten Behandlungszieles enorm hoch ist. Das Verfahren wird vor allem angewandt, um nach schweren Traumata im Bereich der haartragenden Kopfhaut (zum Beispiel ausgedehnte Narbenfelder nach Verbrennungen) oder großen Defektwunden mit Narbenbildung eine adäquate Deckung zu erzielen.
- Ein drittes Verfahren ist die Verwendung haartragender Skalplappen. Dabei werden gefäßgestielte Lappen aus dem Schläfen-, Scheitel- oder Hinterkopfbereich in Zonen ohne Haarwachstum transponiert. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Schnittmustern (Lappendesigns), die für diesen Zweck entwickelt wurden. Aufgrund einer nicht unerheblichen Komplikationsrate - vor allem, was die Durchblutung betrifft - eignet sich dieses Verfahren jedoch nur für ausgewählte Spezialindikationen. Als Routinemethode für eine ästhetische Indikation ist es ungeeignet.
Das Verfahren, das heute am weitesten verbreitet ist, ist die sogenannte freie Haarverpflanzung?
Dr. Matthias Wagner: Ganz richtig. Man unterscheidet zwei Techniken der Transplantation:- Die STRIP-Technik (Streifentechnik) wird in der Regel für größere Haartransplantationen eingesetzt. Die Entnahmestelle ist später kaum zu erkennen, da nur sehr oberflächlich und immer parallel zu den Haarwurzeln geschnitten wird. Die Größe der entnommenen Hautspindel wird in Abhängigkeit vom Haarstand (Dichte des Haarwachstums) gewählt, so dass eine ausreichende Transplantatmenge für das Empfängerareal gewonnen werden kann.
- Bei der FUE (Follicular-Units-Extraction-Technik, Einzelentnahme von Haarwurzelgruppen) werden einzelne Haarwurzelgruppen (follicular units) mit einem Spezialbohrer entnommen. Eine Rasur des Spenderareals ist dabei nötig, um die Entnahme sachgerecht durchführen zu können. Ein spezieller Verschluss der hierbei entstehenden kleinen punktförmigen Wunden erfolgt nicht. Die Narben sind kaum sichtbar. Die sehr lange Prozedur und eine mögliche Verletzung benachbarter Haarwurzeln stellen die wesentlichen Nachteile dieser Technik dar. Deshalb sollte sie nur bei geringem Transplantatbedarf verwendet werden.
Wie viele solcher Haargrüppchen werden bei einem Eingriff verpflanzt?
Dr. Matthias Wagner: In einer Sitzung (fünf bis sechs Stunden) können mit der STRIP-Technik bis zu 2.000 Transplantate verpflanzt werden.Und wie viele der transplantierten Haare wachsen tatsächlich an?
Dr. Matthias Wagner: Bei sachgerechter Durchführung des Eingriffs kann bei einer normal ausgebildeten Kopfhaut, die beispielsweise frei von flächigen Narben ist, mit einer Einheilungsrate von 90 bis 95 Prozent gerechnet werden.Seit wann verpflanzt man eigentlich schon Haare?
Dr. Matthias Wagner: Schon mehr als 180 Jahre: Bereits Dieffenbach beschrieb 1822 die Methode für eine Haartransplantation. 1939 wurde von Okuda in Japan eine Arbeit veröffentlicht, die über seine klinischen Erfahrungen mit der Verpflanzung sogenannter Stanztransplantate berichtet. Orentreich publizierte entsprechende Ergebnisse 1959. Durch Verwendung der relativ großen Transplantate von bis zu vier Millimetern Durchmesser kam es jedoch zu einem unerwünschten Büscheleffekt: Es entstanden Inseln mit sehr dichtem Haar und dazwischen liegenden Kahlstellen. Von Nordström wurden die Transplantatgrößen reduziert und als sogenannte Micrografts zur ästhetischen Verbesserung des Stirnhaaransatzes verwendet.Die moderne Haarchirurgie verdankt trotz unterschiedlicher Implantationsverfahren (Hohlbohrer, Slittechnik, Laser) ihren eigentlichen Fortschritt der Präparation von Kleinsttransplantaten, die nur noch einen Durchmesser von 0,6 bis 1,5 Millimeter aufweisen.
Welche Schwierigkeiten können bei der Haartransplantation auftreten?
Dr. Matthias Wagner: Die Haartransplantation an sich stellt einen extrem komplikationsarmen Eingriff dar. Infektionen im Kopfhautbereich sind wegen ihrer guten Durchblutung sehr selten. Allerdings können sich bei zu tiefem Einbringen der Transplantate Zysten bilden: Sie entstehen durch das Einrollen der Haare in den Follikeln. Außerdem besteht die Gefahr, dass Talgdrüsen - bis sie Anschluss an die Hautoberfläche gefunden haben - gelegentlich sogenannte Retentionszysten verursachen. Leichte lokale Entzündungen der Kopfhaut lassen sich mit desinfizierenden Seifen auf Jodbasis behandeln.Was machen Sie, wenn sich solche Zysten bilden?
Dr. Matthias Wagner: Ich öffne sie mit einer sterilen Injektionsnadel.Wie schätzen Sie die Ergebnisse einer Haartransplantation ein? Was darf man erwarten?
Dr. Matthias Wagner: Eine Haartransplantation eignet sich bei ausreichend großem und dichtem Spenderhaarbezirk für nahezu jede operativ behandelbare Glatzenbildung. Die "Spenderdominanz" garantiert, dass die Haare nach der Verpflanzung in die Empfängerareale weiterwachsen und nicht ausfallen.Die besten Ergebnisse lassen sich zweifelsohne bei Geheimratsecken erzielen. Durch die Staffelung von transplantiertem Haar und normalem Haar entsteht ein optischer Effekt, der bewirkt, dass das "transplantierte Haar" nicht als solches auszumachen ist. Bei großflächigen Glatzen kann die optische Dichte, wie sie bei der Behandlung von Geheimratsecken erreicht wird, leider nicht immer erzielt werden. Durch weitere OPs lässt sich jedoch die Haardichte weiter steigern (Verdichtungsoperation).
Gibt es Alternativen zur Haartransplantation, um gegen den Haarausfall anzugehen?
Dr. Matthias Wagner: Ja, die gibt es: Mit Fenasterid (Propecia), das in den USA seit Ende 1997, in Deutschland seit 1999 auf dem Markt ist, steht erstmals ein Medikament zur Verfügung, das in hohem Prozentsatz einen hormonell bedingten Haarausfall stoppen und einen stärkeren Haarwuchs bewirken kann.Der pharmakologische Wirkstoff blockiert dabei ein Enzym, die 5-alpha-II-Reduktase, die Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) umwandelt. DHT wird folglich in geringerem Maße gebildet, was auch die positiven Wirkungen dieser Substanz erklärt. Denn DHT bewirkt im Zellkern bei entsprechender genetischer Disposition eine zunehmende Atrophie des Haarfollikels. Bei einem Drittel der Probanden wurde verstärktes Haarwachstum, bei zwei Dritteln ein Sistieren 8vorläufiges Unterbrechen) des Haarausfalls beobachtet. Das heißt, durch die tägliche Einnahme einer Tablette kann - zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit - ein Haarausfall beendet werden. Das Präparat wirkt allerdings nur dann, wenn noch Haarwurzeln vorhanden sind. Sind diese - wie bei einer ausgeprägten Glatzenbildung nicht unüblich - vollständig atrophiert, ist eine medikamentöse Therapie sinnlos. Man sollte jedoch bedenken: Das Präparat wirkt nur bei dauerhafter Einnahme.
Andere lokal wirksame Mittel, die als Tinktur auf dem Markt sind, enthalten Minoxidil oder verwandte Wirkstoffe und können ebenfalls den Haarausfall reduzieren.