Franziska Rösler, immer mehr Verbraucher ziehen natürliche Kosmetikprodukte konventioneller Kosmetik vor. Was genau verstehen wir unter Naturkosmetik?
Franziska Rösler, medizinische Kosmetikerin bei Dermalisse, Institut für ästhetische Hautbehandlung: Bei natürlichen Kosmetikprodukten müssen wir unterscheiden zwischen Biokosmetika und Naturkosmetika. Beide enthalten natürliche Rohstoffe, doch nur bei zertifizierten Biokosmetikprodukten stammen die Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau. Diese strenge Vorgabe müssen die Hersteller von Naturkosmetika zwar nicht befolgen, doch auch hier wird der Einsatz von Bio-Rohstoffen für die Produkte meist bevorzugt.Natürliche Kosmetikprodukte sind in der Regel frei von schädlichen Zusatzstoffen wie Paraffinen, Erdöl- und Mineralölprodukten oder synthetischen Konservierungsstoffen. Außerdem kommen keine Rohstoffe von toten Tieren in Naturkosmetik zum Einsatz und in der Entwicklungsphase werden keine Tierversuche durchgeführt.
Ist Naturkosmetik besser für die Haut?
Franziska Rösler: Natürliche Kosmetikprodukte können für die Haut durchaus besser sein, weil sie, im Gegensatz zur konventionellen Kosmetik, weniger allergieauslösende Stoffe beinhalten und dadurch hautverträglicher sind. Natürliche Kosmetik konzentriert sich darauf, die Haut wieder ins Gleichgewicht zu bringen und unterstützt sie bei der Ausführung natürlicher Funktionen wie der Regeneration. Die Qualität der Inhaltsstoffe ist bei Naturkosmetik zudem meist hochwertiger. Doch auch hier muss man differenzieren: So gibt es einerseits günstige Öle von minderer Qualität, die das Atmungssystem der Haut beeinträchtigen können und andererseits hochwertige kaltgepresste Öle, die in ihrer Produktion teurer sind und den Wert des Produkts steigern.In den konventionellen Kosmetika befinden sich dagegen oft zu viele Inhaltsstoffe, welche die Haut negativ beeinflussen können. Das Abwehrsystem kann dadurch geschwächt werden und die Haut verliert die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren.
Das folgende Video (Quelle: Sat.1/YouTube) zeigt, wie leicht sich Verbraucher beim Kauf von vermeintlicher Naturkosmetik/Biokosmetik von Verkäufern und Verpackung täuschen, ja gar abzocken lassen und nicht mehr auf die Inhaltsstoffe oder Zertifikate der vermeintlichen Naturkosmetik achten:
Biokosmetik soll aber auch natürliche Inhaltsstoffe enthalten, die Allergien auslösen können. Bei welchen natürlichen Stoffen ist Vorsicht geboten?
Franziska Rösler: Wer auf bestimmte Stoffe aus der Natur wie Pflanzen oder Kräuter allergisch oder empfindlich reagiert, muss damit rechnen, dass diese Stoffe in natürlichen Kosmetikprodukten ebenfalls eine Allergie auslösen können. Zu neuen allergischen Reaktionen kommt es durch den Gebrauch von Naturkosmetik aber nicht, denn die ist in der Regel sehr gut verträglich.Menschen mit empfindlicher Haut können außerdem auf die natürlichen Konservierungsstoffe wie ätherische Öle oder Vitamin E allergisch reagieren. Auf diese Stoffe, die im Prinzip absolut unbedenklich sind, kann auch die Naturkosmetik nicht verzichten, denn sie sind für die Haltbarkeit der Produkte unerlässlich.
Und welche Inhaltsstoffe in konventionellen Produkten sind bedenklich?
Franziska Rösler: In konventioneller Kosmetik werden als Fette und Öle Erdölprodukte, Paraffine und Silikone verwendet, weil diese synthetischen Öle in ihrer Produktion günstiger sind, sich gut verarbeiten lassen und zudem länger haltbar sind. Sie hinterlassen auf der Haut jedoch einen undurchlässigen Film und können die Atmung der Haut beeinträchtigen oder verhindern. Dadurch verstopfen die Poren und natürliche Hautfunktionen wie das Feuchtigkeitssystem und der Stoffwechselaustausch werden gestört.Paraffinum Liquidum beispielsweise ist ein Grundbestandteil in Body Lotion. Diese macht die Haut sofort geschmeidig, weil sich ein Film auf der Haut ablagert. Das Paraffin dringt nur in die oberste Hautschicht ein und lässt diese aufquellen, so dass Falten im ersten Moment reduziert werden – der Effekt täuscht jedoch darüber hinweg, dass Paraffinum Liquidum die Haut im Laufe der Zeit austrocknet und sogar die Faltenbildung verstärken kann. Zudem wird die Haut häufig abhängig von der Body Lotion.
Als Konservierungsstoffe werden unter anderem Parabene, Formaldehyd und Formaldehyd-Abspalter (enthält Formaldehyd in gebundener Form und gibt es nach und nach ab) verwendet. Sie können die Schleimhäute reizen und Allergien auslösen. Diese Konservierungsstoffe verbergen sich unter anderem auch hinter den folgenden Bezeichnungen: Benzylhemiformal, Diazolidinyl Urea oder Sodium Hydrxymethylglycinate.
Sogenanntes PEG ( Polyethylenglycol) dient als Emulgator, Feuchthaltemittel, Tensid, Weichmacher oder als Lösungsmittel. Es kann Hautreizungen hervorrufen sowie Entzündungen und Ekzeme verursachen. Die Zellwand wird durch das Einwirken der Stoffe dünner und Schadstoffe können somit eher in die Haut eindringen.
Sodium Lauryl Sulphate beziehungsweise Sodium Laureth Sulfate sind fett- und öllösende Tenside, welche als Schaumbildner in Shampoos, Duschgel und Zahnpasta enthalten sind. Sie können Hautirritationen und Augenreizungen verursachen sowie Allergien auslösen und die Haut austrocknen.
Als Wirkstoffe kommen überwiegend synthetische Stoffe zum Einsatz wie Glycerin oder isolierte Kräuter. Diese können genauso wie tierische Wirkstoffe wie Rindertalg oder Collagen allergische Reaktionen auslösen. Auch chemische Lichtschutzfilter sind bedenklich, denn sie können zu stark in die Haut eindringen und eine allergische Reaktion auslösen.
Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass alle Inhaltsstoffe auf Kosmetikprodukten angegeben werden müssen. Sie werden absteigend nach ihren Gewichtsanteil vermerkt: Der Stoff, der am Anfang steht, ist prozentual also am meisten enthalten, die Stoffe am Ende der Auflistung haben einen geringeren Anteil.
Naturkosmetik hingegen ersetzt alle diese Stoffe durch natürliche Komponenten. Sie kommt meist mit viel weniger, aber dafür höherwertigen Inhaltsstoffen aus.
Können rein pflanzliche Produkte die Funktionen herkömmlicher Inhaltsstoffe denn überhaupt erfüllen?
Franziska Rösler: Das können sie auf jeden Fall: Naturkosmetik ist meist höher konzentriert und die pflanzlichen und ätherischen Öle wirken schon in kleinen Mengen.Allerdings muss sich die Haut erst einmal von der chemischen Kosmetik entwöhnen. Einen sofortigen Effekt sollte man nicht erwarten, aber mit etwas Geduld dankt es uns unsere Haut schon bald, da sie sich regeneriert und es seltener zu Irritationen kommt.
Sind natürliche Konservierungsstoffe genauso wirksam wie konventionelle oder verdirbt Naturkosmetik schneller?
Franziska Rösler: Ganz generell können sich Keime in naturkosmetischen Produkten schneller bilden. Folgende Regeln im Umgang mit Naturkosmetik sollten Sie deshalb unbedingt beachten:- Lagern Sie die Produkte bei Zimmertemperatur.
- Vermeiden Sie zu feuchte Räume und direkte Sonneneinstrahlung.
- Halten Sie das Mindesthaltbarkeitsdatum ein. Es gilt immer nur für die ungeöffneten Produkte.
- Nach dem Öffnen sollte Naturkosmetik grundsätzlich in drei bis sechs Monaten aufgebraucht werden.
- Wenn auf der Packung des Produkts ein geöffneter Cremetopf abgebildet ist, gibt die darin enthaltene Zahl die Haltbarkeit nach dem Öffnen des Produkts an.
Auch synthetische Duftstoffe sind in Naturkosmetik tabu. Hat das Auswirkungen auf den Geruch der Cremes und Lotions?
Franziska Rösler: Natürliche Cremes und Lotions duften relativ neutral. Wenn jedoch ätherische Öle im Produkt vorhanden sind, kann auch dieses Naturprodukt eine wohltuende Duftnote bewirken.Was muss man sonst noch im Umgang mit Naturkosmetik beachten?
Franziska Rösler: Es dauert wie gesagt ein Weile bis die Haut sich an die natürlichen Inhaltsstoffe gewöhnt hat. Unter Umständen treten zunächst einmal kleine Unreinheiten und Rötungen auf. Das kann ein Zeichen der Entwöhnung von chemischen Stoffen sein (Entgiftung). Man sollte jedoch etwas Geduld haben und beobachten, ob die Haut sich an das Produkt gewöhnt und die ungewohnten Hautreaktionen verschwinden. Wenn dies nicht der Fall ist, befindet sich möglicherweise ein Stoff im Produkt, der nicht gut vertragen wird oder es besteht bereits eine Allergie auf einen der Inhaltsstoffe. Wenn sich der Zustand der Haut nach zwei bis sechs Wochen nicht bessert, sollte das Produkt gewechselt werden.Eine solche Hautreaktion kann jedoch auch durch den Lebensstil verursacht werden. Hautirritationen treten zum Beispiel auch auf bei schlechter Ernährung, Stress, Rauchen oder Alkoholkonsum. Ein gesünderer Lebensstil und das optimale Pflegeprodukt wirken sich hier meist positiv auf Haut und Haar aus.
Gibt es gesetzliche Richtlinien für Naturkosmetik, die dem Verbraucher garantieren, dass tatsächlich vor allem natürliche Stoffe enthalten sind?
Franziska Rösler: Wie bereits erwähnt zählen sowohl Biokosmetika als auch Naturkosmetika zu den natürlichen Kosmetikprodukten. Beide Begriffe sind jedoch gesetzlich nicht geschützt. Infolgedessen ist es der Kosmetikindustrie erlaubt, Produkte auf den Markt zu bringen, die hauptsächlich chemische Stoffe und lediglich geringe Mengen natürliche Rohstoffen beinhalten.Für Verbraucher ist es daher ratsam, darauf zu achten, dass die natürlichen Kosmetikprodukte mit einem Qualitätssiegel zertifiziert sind. Diese Auszeichnungen garantieren, dass es sich um kontrollierte Biokosmetik beziehungsweise Naturkosmetik handelt, die ausschließlich natürliche Rohstoffe beinhaltet.
Hohe Qualitätsansprüche an Naturkosmetik stellt zum Beispiel das BDIH-Siegel. Ein anderes Qualitätssiegel, das meist auf den Produkten in Reformhäusern zu finden ist und durch unabhängige Kontrolleure vergeben wird, ist das Neuform-Siegel.
Macht es einen Unterschied, ob man teure Naturkosmetik aus der Apotheke oder günstigere Produkte aus der Drogerie wählt?
Franziska Rösler: Es gibt durchaus auch in der Naturkosmetik noch große Unterschiede. Manche Produktmarken erfüllen lediglich die Mindestanforderung der Kriterien, andere gehen weit darüber hinaus und verwenden besonders hochwertige Stoffe. In einigen Naturkosmetikprodukten sind zum Beispiel nur preiswerte Pflanzenöle enthalten, andere Hersteller verwenden dagegen hochwertige kaltgepresste und ätherische Öle. Es macht allerdings keinen Unterschied, ob man Kosmetik in der Drogerie oder in der Apotheke kauft. Wichtiger ist dagegen, einen Blick auf die Inhaltsstoffe zu werfen und auf das Qualitätssiegel zu achten.Um die Inhaltsstoffe eines Produktes bewerten zu können, muss man sich allerdings sehr gut auskennen, denn einige natürliche Stoffe werden unter einem chemischen "Decknamen" angegeben: Benzylalkohol ist zum Beispiel ein natürlicher Bestandteil ätherischer Öle wie Jasmin oder Ylang.