Sibylle Weischenberg, Sie beobachten von Berufs wegen unsere Gesellschaft. Ich habe kürzlich Ihr Buch "Brauchen Sie eine Tragetasche? – Aus dem Leben einer gebeutelten Frau" (erschienen im November 2009 bei Blanvalet, siehe Infos und Link unten) gelesen. Im Vorwort fragen Sie beziehungsweise Ihre Roman-Hauptfigur: "Kennen Sie das auch? Eigentlich läuft alles wie geschmiert und Sie haben Ihr Leben fest im Griff. Aber manchmal, da will man einfach alles verändern: neue Wohnung, neues Auto, neue Figur, neue Frisur – und am besten auch gleich neue Freunde. Denn das letzte Jahr hat mich schwer gebeutelt. Alle um mich herum haben sich auf geheimnisvolle Weise verändert: Neue Busen, plötzlich Kinder, neue Lieben."
Die Themen Schönheit, Schönheits-OP und Aussehen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der bis zur letzten Seite nicht namentlich erwähnten Protagonistin. Deshalb lautet meine erste Frage an Sie: Ist das Thema Schönheits-OP in High-Society-Kreisen und denen, die nur allzu gerne dazu gezählt werden möchten, mittlerweile alltäglich und allgegenwärtig?
Sibylle Weischenberg, Journalistin, Bestseller-Autorin und Gesellschafts-Expertin: Ja.Angesichts plötzlicher Schlauchbootlippen, erstarrter Gesichtsmimik oder über-Nacht-angeschwollener Brüste ist für Beobachter einerseits offensichtlich, dass der eine oder andere Promi mehr als nur Make-up und Haarspray an Gesicht, Haare und Körper lässt. Warum zieren sich andererseits Ihrer Meinung nach insbesondere deutsche Prominente so häufig, wenn es gilt, zuzugeben, dass Botox & Co. beim Styling mit im Spiel sind?
Sibylle Weischenberg: Das Leugnen von Botox- & Co.-Behandlungen ist ein weltweites Phänomen. Allerdings ein verständliches. Warum sollten bekannte Personen zum Bekennertum gezwungen werden, wenn sie sich auffrischen lassen? Ärgerlich wird es nur, wenn Gesichter und Körper sichtbar verfremdet wurden und die Protagonisten blödsinnigerweise behaupten, ununterbrochene Wasserzufuhr habe die Veränderung herbeigeführt. Dasselbe gilt für essgestörte Prominente, die natürlich nur deshalb so dünn sind, weil sie so häufig hinter ihren Kindern herlaufen ...Wie wichtig ist das Thema Schönheit in unserer/für unsere Gesellschaft?
Sibylle Weischenberg: In der Gesellschaft war das Thema Schönheit schon immer das beherrschende. Die Geißel unserer Zeit ist das Size-Zero-Diktat, das vor allem ganz Jungen den Start ins selbstbewusste Leben vermasselt. Wer nur Kalorientabellen liest, bleibt intellektuell und seelisch irgendwann auf der Strecke.Wie viel von Sibylle Weischenberg steckt in der ungenannten Hauptperson Ihres Buches?
Sibylle Weischenberg: Viel.Wie schaffen Sie es, bei Ihrem jobtechnisch notwendigen, intensiven Kontakt zur feinen Gesellschaft und angesichts der demnach häufig dort stattfindenden selbstgefälligen Nabelschau "nur" Beobachterin zu bleiben?
Sibylle Weischenberg: Ich liebe und lebe die Distanz.Macht Ihr Job Ihnen Freude?
Sibylle Weischenberg: Nicht immer, aber häufiger als meistens.Was bedeutet Ihnen persönlich Schönheit?
Sibylle Weischenberg: Für mich zählt der Anblick subjektiv schöner Dinge. Ich liebe es, Prachtmeilen vieler Städte im In- und Ausland abzulaufen, nur um den Anblick schön dekorierter Auslagen, phantastischer Häuserfassaden zu genießen – und ganz wichtig, nichts zu kaufen.Nur Schönheit tanken.
Wer oder was ist in Ihren Augen schön?
Sibylle Weischenberg: Ich finde Augenblicke der tiefsten Ruhe und Ausgeglichenheit schön.Welcher Promi legte in 2010 bis jetzt den schönsten Auftritt hin?
Sibylle Weischenberg: Kronprinzessin Victoria während ihrer Hochzeit.Zu all Ihren Treffen mit der Prominenz dieser Welt muss ich Sie fragen: Ist Ihnen dabei jemals wahre Schönheit begegnet?
Sibylle Weischenberg: Ja, Jodie Foster. Bei unserem ersten Treffen war ich hingerissen von der überraschenden Feinheit ihres Gesichts, der Gelassenheit ihrer Gesprächsbereitschaft, der Höflichkeit und menschlichen Wärme, die sie auszeichnete. Prinzessin Dianas Ausstrahlung faszinierte mich bei all unseren Treffen immer wieder. Sie strahlte ungekünstelte Wärme aus, blieb natürlich im persönlichen Gespräch und rührte mich durch ihre Unsicherheit.Sie selbst sind Mutter einer Tochter, Ihrer Managerin Laura Weischenberg. Welchen Rat geben Sie anderen Eltern mit auf den Weg, deren Söhne und Töchter in krankhaft schlanken Zeiten von Paris Hilton und Victoria Beckham und den dazugehörigen Schönheitsbildern groß werden müssen: Wie erklärt man seinen Kindern, was wirklich schön ist?
Sibylle Weischenberg: Indem man sie davor warnt, Körpermaße und Gewichtsangaben mit Schönheit zu verwechseln; indem man ihnen Biographien interessanter, sich selbst bejahender Menschen näher bringt.Was ich schon immer wissen wollte: Wie läuft ein alltäglicher Tag einer Society-Beobachterin ab?
Sibylle Weischenberg: Mal so, mal so! Ernsthaft geantwortet, spielt sich mein Leben auf Flughäfen, in TV-Studios, auf Galas und Premieren ab und vor allem sind die Tage mit vielen diskreten Treffen mit in- und ausländischer Prominenz gefüllt. Und mein Handy schalte ich wegen der diversen Zeitverschiebungen nie aus.Und auch die Fragen muss ich Ihnen unbedingt stellen: Bei der Beurteilung der Stars und Sternchen oder Geschehnisse in deren Leben nehmen Sie kein Blatt vor den Mund. Ihrem wachsamen Auge entgeht wenig. Haben die Promis Sie auch im Blick, wenn Sie bei einem Event anwesend sind? Verhalten sie sich Ihnen gegenüber besonders (un)auffällig?
Sibylle Weischenberg: Events bieten die Möglichkeit, diverse bekannte Menschen wiederzusehen. Um ausführlich mit ihnen zu sprechen, sind offizielle Veranstaltungen der denkbar schlechteste Rahmen. Jeder beobachtet jeden – wirklich sinnvolle, informative Gespräche kann man nur im privaten Rahmen führen.Und: Reicht Ihnen die Tragetasche des Luxuslabels aus Karton – oder muss es nicht doch das in dieser Saison aktuelle Original aus Leder sein, um von den Promis als Gesprächspartner ernst genommen zu werden?
Sibylle Weischenberg: Es wäre verheerend, wenn man sich über Label-Outfits oder ultrateure angesagte Accessoires definieren würde. Akzeptanz erfährt nur derjenige, der authentisch ist – egal, wie viel seine Klamotten gekostet haben.Welche Bedeutung messen Sie dem gepflegten, gestylten Job-Auftritt einer Frau bei? Gibt es Regeln für ein "must have" oder ein "no go", also ein Mindestmaß an Make-up und Frisur beziehungsweise ein "ohne-das-geht's-gar-nicht?
Sibylle Weischenberg: Niemand sollte so, wie er zuhause abhängt, auf die Straße gehen – auch nicht zum Brötchenholen. Das verbietet der Respekt vor anderen.Sie sind eine von vielen Medien gefragte Society-Expertin – wie wichtig ist Ihnen bei dienstlichen Auftritten das eigene Aussehen?
Sibylle Weischenberg: Es muss passen!Treiben Sie Sport?
Sibylle Weischenberg: Nein!Und wenn ich schon beim Thema bin, was haben Sie, ähhm, was hat die Hauptfigur Ihres Buches eigentlich mit dem neumodischen Trimm-Reifen, besser bekannt als Hula-hupp-Reifen, gemacht?
Sibylle Weischenberg: Steht in der Ecke, gleich neben der eingerollten Yoga-Matte.In der Riesentasche der Hauptfigur Ihres Buchs stecken wahre Schätze, darunter Schals & Tücher für alle Wetterlagen, Ersatzstrumpfhosen, Bücher und Papiere und - nicht zu vergessen! - Burli, das altgeliebte, nur-noch-einäugige und verknuddelte Plüschbärchen aus Kindertagen. Was sind die wichtigsten drei Kosmetika beziehungsweise Utensilien, die jede Frau stets dabei haben sollte?
Sibylle Weischenberg: Q-Tipps, wärmende Tücher für unterwegs gegen Zugluft, farbiger Lip-Gloss.Haben Sie Angst vor dem Altern und den damit einhergehenden Veränderungen Ihres Aussehens?
Sibylle Weischenberg: Jeder sollte sein gefühltes Alter leben.Haben Sie eine Strategie, um besonders attraktiv älter zu werden?
Sibylle Weischenberg: Strategien sind etwas für Fußball-Trainer. Und manchmal setzt ein besonders erfolgreicher auch auf seine ganz persönliche Philosophie.Und welcher Prominente altert in Ihren Augen würdig und schön?
Sibylle Weischenberg: Emma Thompson, Hildegard Hamm-Brücher, Judi Dench, Helen Mirren, Hannelore Hoger, Glenn Close, Senta Berger und viele andere.Wer wie Sie seit Jahren die schillernden Schichten der Gesellschaft kritisch beäugt und versucht, deren manchmal scheinbar unerklärliches Benehmen dennoch zu erklären, der kennt jede Menge Gerüchte und auch deren wahren Kern, wenn es um das Aussehen der Promis geht: Mit wem hatten Sie die für Sie schönste Begegnung, welche war die schönste Erfahrung, die Sie gesammelt haben, und was war das Skurrilste in Sachen "Promi und Schönheit", das Sie gesehen haben?
Sibylle Weischenberg: Bei meinen Begegnungen mit Superstars, Top-Adligen, Politikern, Wirtschaftsbossen und Sportlern erlebe ich immer die Menschen hinter der Fassade. Ob es Queen Elizabeth ist, die ein berückend weiches, warmes Parfum benutzt, ob es sich um Prinz Ernst August von Hannover handelt, der im persönlichen Gespräch ein wahnsinnig witziger, eloquenter Unterhalter sein kann, ein verführerisch, exquisiter Weinkenner wie Christopher Lambert oder ein diskussionsfreudiger Mel Gibson, der mit mir stundenlang über Religion, Gott und Moral diskutierte, bevor er vor kurzem fatalerweise aus dem Rahmen seines Lebens gefallen ist.Meine letzte Frage: Wird die Geschichte der namenlosen Besitzerin der 30-Pfund-teuren Tragetasche aus dem Londoner Luxuslabelladen weitergehen?
Sibylle Weischenberg: Sie hat sich schon so verselbstständigt, dass ich mich das gar nicht mehr fragen kann. Sie hat nämlich längst 'Ja' gesagt.Vielen Dank, Sibylle Weischenberg, dass Sie sich so viel Zeit für die Beantwortung der YaaCool-Fragen genommen haben!
Zur Person: Sibylle Weischenberg
Sibylle Weischenberg wurde in Schleswig geboren und wuchs in Köln auf. Sie studierte Modedesign mit Diplom, anschließend Publizistik, Kunstgeschichte, Germanistik, Journalistik und Soziologie. Heute lebt Sibylle Weischenberg in München.Sie begann ihre journalistische Laufbahn laut Wikipedia als "Redakteurin bei den Tageszeitungen Hamburger Abendblatt, Rheinische Post sowie als Korrespondentin der britischen Nachrichtenagentur Reuters. Vor der Bundestagswahl 1987 begleitete sie den SPD-Kanzlerkandidaten Johannes Rau auf einer Deutschlandreise als Pressereferentin. Danach arbeitete sie als verantwortliche Redakteurin beim Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel, als Hamburger Korrespondentin des Burda-Verlages, als Society-Kolumnistin und Unterhaltungs-Ressortleiterin beim Magazin Gala und als Society-Kolumnistin und Ressortleiterin des Promi-Magazins Bunte."
Der breiten Öffentlichkeit wurde die Weischenberg bekannt, weil sie von großen gesellschaftlichen Ereignissen als Kommentatorin in mehrstündigen RTL-Live-Sendungen Bericht erstattete, zum Beispiel von Prinzessin Dianas Beerdigung oder von der Hochzeit des niederländischen Thronfolgers Willem Alexander mit Maxima. Donnerstags verrät Sibylle Weischenberg im Sat-1-Frühstücksfernsehen in ihrem eigenen TV-Format "W.I.P." ("Weischenbergs Important People") Neuigkeiten aus dem Leben der Prominenz der Woche.
Als Gesellschafts-Expertin berichtet Sibylle Weischenberg fast täglich in TV-Magazinen wie "Brisant", "Hallo Deutschland" oder "Taff" vom Treiben prominenter Personen. Seit Jahren ist Sibylle Weischenberg außerdem Radio-Kolumnistin in- und ausländischer Sender. 2007 erschien ihr Buch "Ich hasse den Sommer", das zum Bestseller wurde. Im Herbst 2008 erschien die ebenso erfolgreiche Fortsetzung: "Meine 30 Lippenstifte und ich." 2009 folgte "Brauchen Sie eine Tragetasche?" Die ersten beiden Titel gibt es auch als Hörbücher, beide hat Sibylle Weischenberg selbst gesprochen.
Sibylle Weischenberg wird von ihrer Tochter Laura gemanagt.
Infos zum Buch: Sibylle Weischenberg: "Brauchen Sie eine Tragetasche? Aus dem Leben einer gebeutelten Frau." Taschenbuch, Blanvalet Taschenbuch Verlag, 2009, ISBN-13: 978-3442373970, Preis: 7,95 Euro.