Immer mehr Menschen missbrauchen Medikamente, um ihre sportlichen Leistungen in der Freizeit zu erhöhen - darin sind sich Experten einig. Während der öffentlichen Anhörung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages bedauerten die Fachleute gleichzeitig, "dass es derzeit zu wenig belastbare Untersuchungen in diesem Bereich gibt", heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung des Bundestages.
Einer der Experten ist Mischa Kläber, der an der Technischen Universität Darmstadt an einer Promotion zum Thema des Medikamentenmissbrauchs im Freizeit- und Breitensport arbeitet. Er forderte, dem Problem mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wichtig sei es demnach für die Forschung, die Freizeitsportler, die sich für ihren Sport dopen, weder zu verurteilen noch zu diffamieren. Kläber identifizierte mit Befragungen Fitnessstudios nicht nur als Treffpunkt für Amateure und Profisportler, sondern als "Hauptnachschubstation" für verbotene Substanzen. Alarmierend: Kläber verwies darauf, dass viele Freizeitsportler Medikamente unter ärztlicher Beobachtung missbrauchen!
Ein Drittel der Dopingnutzer lasse sich vom Arzt "kontrollieren", bestätigte Prof. Dr. Dr. Perikles Simon, Abteilung Sportmedizin der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen. Und: Auch das Internet als Vertriebsort für Dopingsubstanzen werde immer stärker genutzt. Als am häufigsten verwandte Wirkstoffe benannte Simon Methandienon sowie verschiedene Testosteronester. Meist hänge jedoch der eingesetzte Wirkstoff vom Angebot des Schwarzmarktes des Verwenders ab, so der Experte.
"Eine Nachjustierung des Arzneimittelgesetzes" schlug Prof. Dr. Klaus Müller, Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa, vor. Zudem müsse seiner Meinung nach die Datenlage im Bereich des Freizeit- und Breitensports verbessert werden. Müller kritisierte darüberhinaus, dass die Medien den Eindruck vermittelten, Erfolge im Leistungssport ließen sich nur mit Hilfe von Doping erzielen.
Der ehemalige Bodybuilder und jetzige Anti-Doping-Aktivist Jörg D. Börjesson meint, dass Doping den Sport längst verlassen und Fuß in der Gesellschaft gefasst habe. Er wisse von dopenden Soldaten, Polizisten und auch Sportstudenten, die körperlich fit sein müssten und dabei auf der Suche nach der Lücke zum "gesunden Medikamentenmissbrauch" seien. Er selbst halte Vorträge in Schulen, um jungen Menschen die möglichen Folgen des Medikamentenmissbrauchs deutlich zu machen, führte Börjesson aus.
Solche eventuellen Folgen seien erfolgreichen Bodybuildern egal, sagte der Szenemusiker Sven ("Seyfu") Schulze. "Mister Olympia" verdiene mit seinen Auftritten viel Geld. "Der sagt sich doch: Immer noch besser, dabei eventuell die Gesundheit zu gefährden, als sich auf dem Bau kaputt zu machen", sagte Schulze. Auch er forderte: Dopende Freizeitsportler dürfen nicht als Versager hingestellt werden, da sie so bei der Aufklärung nicht erreicht werden könnten.
Ein einheitliches Zertifizierungssiegel für die Freizeitsportbranche mit entsprechender Ausbildung und Ausstattung der Sportanlagen forderte Ron Ostermann. Zudem solle über eine abschreckende Kampagne – wie etwa beim Rauchen – nachgedacht werden, schlug er als Vertreter des Verbandes Deutscher Fitness- und Gesundheitsunternehmen vor.